Digitale Ethik und eherne Werte

Eine alte elektronische Schreibmaschine, ein Walkman mit Aufnahmefunktion und eine Druckvorlage für eine Zeitungsseite liegen in einem Regal in Florian Höhnes Büro an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) in Erlangen. „Das alles wurde längst ausgemustert, ich habe die Sachen aber als Anschauungsmaterial aufgehoben“, sagt der 44-Jährige. Nachdem er am 1. April 2023 den Lehrstuhl für Medienkommunikation, Medienethik und Digitale Theologie an der FAU übernommen hat, hält Höhne an diesem Freitag (12. Juli) um 18 Uhr seine Antrittsvorlesung im Wassersaal der Orangerie in Erlangen.

Selbst gerade noch in einer überwiegend analog geprägten Welt aufgewachsen, hat der gebürtige Berliner schon früh seine Leidenschaft für den Lokaljournalismus, aber auch für den Glauben entdeckt. Beide Welten interessierten ihn, weil sie viele Überschneidungen haben und sich ergänzen. „Schon als Jugendlicher habe ich es geliebt, mit anderen bis spät in die Nacht über Gott und die Welt zu diskutieren“, erinnert er sich.

Geschrieben habe er ebenso gerne, kam so zum Journalismus, schließlich zur Theologie und über Umwege nach Erlangen zum Studium. Zuerst zog es Höhne im Anschluss ins Volontariat bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ), dann aber doch noch ins Vikariat an der Heilig-Geist-Gemeinde in Fürth. Seine Promotion in Theologie legte er an der Humboldt-Universität Berlin ab. Die Professur für Christliche Publizistik sei auch noch über ein Jahr nach Dienstantritt seine „Traumstelle“. Vielleicht auch, weil der Job kein dogmatischer ist, keine fest gezurrten Wahrheiten beinhaltet, sondern Offenheit und Austausch zulässt. Die Wissenschaft lebe vom Dialog, „besonders in unserem Segment“, sagt er.

So gebe es einen Wertekanon der Christlichen Publizistik, der keine Halbwertszeit kenne, der aber in die Gegenwart und Zukunft übertragen werden müsse. Das betreffe griffige medienethische Fragen. Beispielsweise, ob und in welchen Kontexten man bei Unfällen oder Unglücken „Schockbilder“ zeigen darf. Oder wie viel Rücksicht man bei Interviews oder Fotos walten lassen muss, wenn man es mit Menschen, denen Leid widerfahren ist, zu tun hat und gleichzeitig die Kundschaft informieren will. „Es gibt keine einfachen Antworten oder schnelle Lösungen. Ich will aber meine Studierenden dazu ermächtigen, diese Fragen mit dem nötigen Handwerkszeug zu lösen“, meint Höhne.

Den Begriff der „digitalen Theologie“, der seit Höhnes Amtsantritt auch seine Berufsbezeichnung erweitert, hatte seine Vorgängerin Johanna Haberer ins Spiel gebracht. Für viele ein Widerspruch in sich, übersetzt Höhne ihn in rein technischer Hinsicht so: „Unser Leben läuft jetzt schon im Digitalen ab. Wir kommunizieren per Computer oder Smartphone, suchen im Internet nach Gottesdienstterminen und verabreden uns über WhatsApp-Gruppen“, erklärt er. Inhaltlich aber gehe es um die Fragen, wie religiöse Praktiken und kirchliches Handeln sich im Zuge digitaler Transformationen verändern und inwieweit man diese Prozesse selbst steuere oder beeinflusse.

Schnell ist man bei der Frage, welche Haltung ein Medienethiker dann gegenüber Künstlicher Intelligenz hat. Höhne sieht es erstaunlich pragmatisch: „So lange ein Mensch am Ende immer noch die Verantwortung trägt, können wir uns KI zunutze machen“, ist Höhne überzeugt. Einsatzmöglichkeiten für KI sehe er bei der Text- oder Bildgenerierung, auch bei der Entscheidungs- oder Recherchehilfe. „Warum für eine Predigt nicht von ChatGPT inspirieren lassen, wie man mit einer Bibelstelle umgeht?“

Ein anderes Beispiel ist das „digitale Abendmahl“: Während der Corona-Beschränkungen war ein physisches Weiterreichen einer Hostie, geschweige denn ein gemeinsames Trinken aus einem Kelch unmöglich geworden – dem religiösen Bedürfnis nach dem Empfangen von Leib und Blut Christi musste aber trotzdem Rechnung getragen werden. „Wie wichtig ist es, einen Moment des Gebens zu erleben? Oder genügt es auch, sich in Ausnahmefällen das Abendmahl selbst zu nehmen?“, seien spannende Fragen, die im Hörsaal diskutiert werden.

Der Masterstudiengang Medien-Ethik-Religion mache zurzeit das Gros von Höhnes Lehrveranstaltungen aus. Dort diskutiere er auch mit vielen Menschen, die nicht Theologie studiert haben, sondern eine andere Geisteswissenschaft, Jura oder Medienwissenschaft. Eine Aufgabe also mit Relevanz, die Florian Höhne verrichtet. Bereits 1966 war an der FAU die Abteilung Christliche Publizistik von Bernhard Klaus gegründet worden, 1991 übernahm dann Gerhard Meier-Reutti, ab 2001 Johanna Haberer. „Gäbe es den Lehrstuhl in Erlangen nicht, müsste man ihn erfinden“, ist Höhne überzeugt. (00/2104/11.07.2024)