Die Natur mit Phantasie erfüllen

Zeitgenössische Kunstliebhaber verehrten ihn, sein persönliches Leben verlief jedoch nicht ohne Tragik. 75 Jahre nach seinem Tod ist das Werk des Landschaftsmalers Otto Modersohn auf wenige Museen konzentriert

hajotthu

„Ein schauender Mensch mit einer weiten Seele, in der alles Farbe und Landschaft wurde“: Das war Rainer Maria Rilkes erster Eindruck von Otto Modersohn. Beide begegneten sich in Worpswede, einem Bauerndorf in Niedersachsen, das zu einer berühmten Künstlerkolonie werden sollte. Modersohn wurde vor allem als ihr Mitbegründer bekannt. Am 10. März 1943, vor 75 Jahren, starb der Landschaftsmaler in Rotenburg an der Wümme.
Geboren 1865 in Soest, interessierte Otto Modersohn sich schon in jungen Jahren für die Natur. Er sammelte Insekten und Pflanzen, beobachtete geduldig und zeichnete viel. 1883 ging er an die Kunstakademie in Düsseldorf; Inspiration fand er jedoch weiterhin bei der Freilichtmalerei, etwa bei Reisen in den Harz oder auf der Nordseeinsel Juist. Einfachheit und Innerlichkeit bezeichnete er rasch als seine künstlerischen Ziele; mit der akademischen Ausbildung konnte er auch nach einem Wechsel an die Karlsruher Kunstakademie wenig anfangen.

Künstlergruppe etabliert sich in Worpswede

Im Sommer 1889 nahm ihn sein Studienkollege Fritz Mackensen mit nach Worpswede. Die weite Landschaft begeisterte Modersohn sofort. In seinem Tagebuch notierte er: „Ich fand ein höchst originelles Dorf, das auf mich einen durchaus fremdartigen Eindruck machte.“ Offenbar der richtige Ort für einen jungen Maler, der nach Natürlichkeit, nach etwas Echtem und Ursprünglichem suchte: Die Künstler beschlossen, in Worpswede zu bleiben.
Nach zunächst verhaltenen Reaktionen der Öffentlichkeit feierte die Künstlergruppe, die sich in dem Dorf gesammelt hatte, ab einer ersten Ausstellung 1895 große Erfolge. Modersohn verkaufte mehrere Bilder und wurde verschiedentlich ausgestellt. In dieser Zeit entdeckte er das Dorf Fischerhude, einen weiteren Quell für Naturmotive und Stimmungsbilder. „Wir zeichneten, bis unsere Skizzenbücher voll waren“, schrieb Modersohn nach der ersten Wanderung durch das kleine Dorf.
1897 begegnete Modersohn der Malerin Paula Becker. Er heiratete kurz darauf eine andere (Helene Schröder) – aus dieser Ehe ging Tochter Elsbeth (1898-1984) hervor. Ihr gefiel zunächst vor allem seine Arbeit. Seine Bilder hätten „tiefe, tiefe Stimmungen in sich“, schrieb Paula in ihr Tagebuch. Und weiter: „Ich möchte ihn kennenlernen, diesen Modersohn.“ Neben einem intensiven Austausch über künstlerische Vorstellungen wuchs zwischen beiden auch die persönliche Zuneigung. Die Künstlervereinigung Worpswede verließ Modersohn unterdessen. Sie fange an, „uns über den Kopf zu wachsen“, erklärte er, „sie bedroht unsere Ruhe, die man zum künstlerischen Schaffen in erster Linie braucht.“
Ein knappes Jahr nach dem Tod seiner ersten Ehefrau heirateten Paula und Otto 1901. Eine wechselvolle Ehe: Während er die Stille in Worpswede schätzte, zog es sie immer wieder nach Paris. 1906 überzeugte sie ihn von einer Scheidung, um ihren Entschluss kurz darauf zu widerrufen. Sie wurde schwanger und brachte eine Tochter (Mathilde, 1907-1998) zur Welt, bevor sie 1907 mit 31 Jahren verstarb. „Man kann nur ahnen, was sie der Welt noch geschenkt hätte“, klagte Otto, der nach ihrem frühen Tod nach Fischerhude ging.
1909 heiratete der Maler zum dritten Mal (Louise Breling) – aus dieser Ehe gingen die Söhne Ulrich (1913-1943) und Christian (1916-2009) hervor. In der Kunst blieb er eher ein Einzelgänger. 1911 positionierte er sich zum aufkommenden Streit über das Nationalgefühl von Künstlern: „Die Nationalität spielt bei der Kunst überhaupt keine Rolle, es kommt lediglich auf die Qualität der Kunst an“, betonte er. 1914 meldete er sich nicht als Freiwilliger für den Kriegsdienst. Die Familie litt während des Ersten Weltkrieges, als kaum Bilder verkauft wurden, dennoch.
In den 1920er Jahren unternahm Modersohn verschiedene Studienreisen. Spät freundete er sich mit der Allgäuer Bergwelt an, die seine dritte Ehefrau besonders schätzte. In seinen letzten Lebensjahren zwang ihn jedoch der Verlust des Sehvermögens auf seinem rechten Auge in das häusliche Atelier. Modersohns Bilder sind heute – im Gegensatz zu den Werken von Paula Modersohn-Becker – weltweit in nur wenigen Museen vertreten. Seinem eigenen Anspruch blieb er jedoch stets treu: „Nicht der ist ein großer Maler, der die Natur getreulich wiedergiebt, sondern der, der die Natur mit seiner Phantasie erfüllt und diese neue entstehen lässt, wie seine Phantasie sie erschaut.“

Museum am Modersohn-Haus  in Worpswede, Telefon (0 47 92) 47 77, E-Mail: infomuseum-modersohn.de. Öffnungszeiten (bis 1. April): nur Samstag/Sonntag, 13-17 Uhr. Führungen (auch außerhalb der Öffnungszeiten) auf Anfrage. Internet: http://www.museum-modersohn.de.

Otto-Modersohn-Museum in Fischerhude, Telefon (0 42 93) 3 28, ­E-Mail: info@modersohn-museum.de. Öffnungszeiten: täglich, 10-18 Uhr. Führungen nach telefonischer Vereinbarung. Internet: http://www.modersohn-museum.de/start.html.

Otto Modersohn Museum Tecklenburg (OMMT), Telefon (0 54 82) 9 26 21 60, E-Mail: info@ommt.de. Öff­nungszeiten: (bis 18. März) Freitag, 14.30-18 Uhr, Samstag/Sonntag, 11-18  Uhr; (ab 23. März) Dienstag bis Sonntag, 11-18 Uhr. Öffentliche Führung jeden ersten Sonntag im Monat um 17 Uhr. Geschlossen am 24., 25. und 31. Dezember. Internet: https://ommt.de.