Die Kirche ist offen, die Orgel klingt

Mit Stäblein hingeguckt – die Bischofskolumne

Von Christian Stäblein

In St. Katharinen in Brandenburg an der Havel war die Orgel schon immer eine der größten im ganzen Land. Erst vor ein paar Monaten wurde das technische Wunderwerk des dortigen neuen Instruments frisch eingeweiht. Man staunt und staunt. Spieltisch unten. Pfeifen oben. Mehrere alte Orgeln neu ­miteinander verbunden – genial. 

In der Pfarrkirche in Alt-Pankow hat die Gemeinde ihre neue Orgel am vergangenen Wochenende eingeweiht. Auf diese ließe sich der Filmtitel „Zurück in die Zukunft“ ­anwenden: Die neue Orgel ist ganz in Stil und Geist des im 19. Jahrhundert bekanntesten Orgelbauers der Stadt gehalten, Carl August Buchholz. Kristian Wegscheider, Orgelbauer aus Dresden, der den Geist Buchholz’ weiterleben lässt, hielt eine berührende Rede. In dieser beschrieb er das Abenteuer, das jeder Orgelbau ist – das Abenteuer des Glaubens. 

In Niemegk wiederum darf ich in ein paar Wochen dabei sein, wenn die dort vollständig restaurierte Baer-Orgel, das größte Instrument dieses Landkreises, wieder erklingt. Unter dem Motto „Total den BACH runter“ rockte dort Erik Hoeppe schon Mitte August die Orgel mit modernen Popsongs. 

Die Orgel ist also wahrlich „in“ – in diesem Jahr besonders, es ist das Instrument des Jahres, nicht nur im übertragenen Sinn: Die Landes­musikräte haben für 2021 das Jahr der Orgel ausgerufen. Für mich war 2020 auch schon ein Jahr der Orgel. 

Denn in der Corona-Zeit waren es nicht selten die offenen Kirchen und ihre musikalischen Pfeifen-Reisen, die unsere Seelen gestärkt und mitgenommen haben, als wir manchmal aus dem letzten Loch pfiffen, ­körperlich und seelisch. Die Kirche ist offen, die Orgel klingt – 2021 für Geimpfte und Ungeimpfte, für alle, ob kirchlich hochverbunden oder hochskeptisch.

Es ist eine Freude und großes Glück, im Jahr der Orgel so viele ­Orgelsanierungen, Neuweihen und Neubauten erleben zu können. Es sind fast immer Projekte, die über Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte gereift, erkämpft und ersehnt ­worden sind. Stets sind sie mit viel Geld einwerben verbunden. Orgeln sind kostbar. Und kosten. So leuchtet mir ein, was der Schirmherr des Orgelprojekts Alt-Pankow, Wolfgang Thierse, zur Einweihung gesagt hat: Die Orgel ist ein Projekt des Vertrauens. Wer für sie wirbt und wer für sie gibt, vertraut darauf, dass Kirchen nicht zu Museen werden, sondern lebendige Orte bleiben und neu ­werden. Ja, denke ich, Orte zum ­Vertrauen, zum Luftholen. Orte zum lauten Pfeifen auf Populismus und falsche Parolen, Orte zum Jubilieren über Miteinander und Lebensglück, Orte ganz nach dem 1G-Prinzip: im Geist Gottes und seiner Gnade. 

Also hingeguckt: Die kleinen wie großen Orgeln sind stets echte Hingucker. Und dann vor allem: hingehört, auf das Ja(hr) der Orgel.