Die Hakenkreuz-Glocke soll weiter läuten

Die Kirche der Gemeinde in Faßberg wurde 1938 erbaut – und ihre Glocke trägt NS-Symbole. Trotzdem wird sie weiter läuten, nach intensiver Diskussion. Das hat mit der Geschichte des Ortes zu tun.

Faßberg/Kr. Celle. Seit dem Bau der Kirche in Faßberg bei Celle im Jahr 1938 schlägt die Glocke mit dem zwei mal zwei Zentimeter großen Hakenkreuz und dem Luftwaffenadler in ihrem Turm. Weil in anderen Gemeinden über Glocken mit Nazisymbolen gestritten wurde und Medien das Thema aufgriffen, hat auch die evangelische Kirchengemeinde neu diskutiert, wie sie mit ihrem unbequemen Erbe umgehen soll. Die Glocke wird weiter läuten, lautet der Beschluss, den der Kirchenvorstand in einem Buß- und Bettags-Gottesdienst bekanntgab.  
Das hat mit der besonderen Geschichte nicht nur der Kirche, sondern des gesamten Ortes zu tun, wie Gemeindepastor Rudolf Blümcke erläutert. "Das Erbe der Zeit, in der diese Kirche erbaut wurde, werden wir nicht ändern, indem wir Symbole verschwinden lassen oder einzelne Teile austauschen." Darum wollen die Faßberger künftig noch eine weitere kleine Glocke in ihren Dachreiter hängen. Sie könnte, verziert mit einem Zitat des von den Nazis ermordeten Theologen und Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer, der alten Glocke akustisch etwas entgegensetzen, sagt der Pastor.

Geschichte lässt sich nicht wegmeißeln

Orts-Chronist Eike Bruns erläutert, dass Faßberg überhaupt nur durch das Militär existiere. "Das war früher eine Heidefläche." Der Ort wurde in der 1930er Jahren mit dem Bau eines Flughafens als Luftwaffensiedlung angelegt.  1937/38 wurden die Schule und die Kirche erbaut, das Datum im Grundstein erinnert noch daran. "Bei der Schule gab es auf dem Stein aber nie ein Hakenkreuz", sagt Bruns. Anders war es bei der Kirche, wo das Datum Blümcke zufolge in der Nachkriegszeit weggestemmt wurde. 
Doch einfach wegmeißeln lässt sich die Geschichte nicht. "Wenn wir ganz konsequent den Einfluss der Nationalsozialisten in dieser Kirche beseitigen wollten, dann müssten wir die Kirche abreißen und neu bauen", sagt Blümcke. Dann stelle sich die Frage, was mit anderen Häusern und letztlich dem ganzen Ort geschehen solle. Für alte Faßberger wie Eike Bruns ist die Kirche auch Teil ihrer Lebensgeschichte. Der 76-Jährige wurde dort getauft, konfirmiert, feierte Hochzeit und Goldene Hochzeit. 

Evangelisten sahen aus wie Kämpfer

Mit der besonderen Geschichte habe sich die Kirchengemeinde längst auseinandergesetzt. Sie sei offen damit umgegangen, bevor durch den Streit um die sogenannte Hitler-Glocke im pfälzischen Herxheim das Thema hochgekocht sei, betont der Pastor. In Herxheim und andernorts seien in wesentlich älteren Kirchen zur Zeit des Nationalsozialismus Glocken aufgehängt worden, die Adolf Hitler als Führer verherrlichten, erläutert er. "Solche Glocken heute noch zu läuten, halten wir für sehr problematisch." 
Zur weiteren Aufarbeitung der Geschichte überlegen die Faßberger, auch im Innenraum der Kirche den Stilelementen der NS-Zeit etwas entgegenzusetzen, sagt der Pastor weiter. "Auf diese Weise können wir mit der Gemeinde Faßberg und auch mit Besuchern unserer Kirche immer wieder den Weg von Unrecht über Buße und Vergebung, von Irreleitung unseres Volkes über Aufarbeitung und Neuausrichtung begehen."
Denn auch die Ausstattung der Kirche spiegelt den Geist ihrer Erbauer. Der Soltauer Ruhestandspastor Gottfried Berndt erinnert sich, wie er als kleiner Junge beim Anblick der Evangelistenfiguren erschrak. "Die sahen aus wie Kämpfer. Ich habe Evangelisten nirgends sonst so gesehen." Berndts Vater war nach dem Zweiten Weltkrieg Pastor in Faßberg. Selbst predigt der Ruheständler dort heute gelegentlich vertretungsweise im Gottesdienst. Auch er hält es für richtig, die Spuren der Vergangenheit nicht einfach zu beseitigen. "Wir müssen versuchen, zu verstehen, was geschehen ist, in der Verantwortung dafür, dass das nie wieder passieren darf." (epd)