Die Berliner Friedensbibliothek

Seit über 40 Jahren informiert die Berliner Friedensbibliothek über weltweite Kriege und Krisen

Im Keller des Hauses der Demokratie in Berlin-Prenzlauer Berg werden die Ausstellungen vorbereitet. Die Ausstellungen, wie hier im Zentrum Information, Begegnung, Dialog, Erziehung und Gebet im polnischen Oświęcimiu, wurden bislang in 15 Ländern gezeigt.
Im Keller des Hauses der Demokratie in Berlin-Prenzlauer Berg werden die Ausstellungen vorbereitet. Die Ausstellungen, wie hier im Zentrum Information, Begegnung, Dialog, Erziehung und Gebet im polnischen Oświęcimiu, wurden bislang in 15 Ländern gezeigt.Lukawska Sylwia/Friedensbibliothek

Im „Haus der Demokratie und Menschenrechte“ in Berlin-Prenzlauer Berg befindet sich die Friedens­bibliothek-Antikriegsmuseum der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). Sabine Meißner besuchte die landeskirchliche Einrichtung, um herauszufinden, was sie in der heutigen Zeit leistet und welches Feedback sie zurzeit erhält. Wie reagieren Besucherinnen und Besucher vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die Themen?

Ein unauffälliges Schild am Haus mit der Nummer vier in der viel­befahrenen Greifswalder Straße verweist auf das Souterrain des zweiten Hintergebäudes. Dort wirken die Mitarbeitenden der Friedensbibliothek. Sie bereiten Ausstellungen vor, die vor den Gefahren von Kriegen warnen und Beispiele für die friedliche Lösung von Konflikten geben. Diese Ausstellungen sind nicht nur in Berlin zu sehen. Sie wandern durch ganz Deutschland und teilweise Europa.

Vom Staat kritisch beäugt

Damit beziehen sie auch Stellung zur aktuellen Politik – und setzen fort, was Unerschrockene vor über 40 Jahren begonnen haben, als sie im Juni 1982 die erste allgemein zugängliche Ausstellung des Antikriegsmuseums bei der ersten ­Ostberliner Friedenswerkstatt in Berlin-Rummelsburg zeigten. Vo­rausgegangen waren 14 halböffentliche Ausstellungen, etwa die „Anti­kriegsausstellung zu Hiroshima und Nagasaki“ in einem Berliner Großbetrieb.

Damals hatte die Landeskirche in der Erlöserkirche im Stadtteil Rummelsburg die Friedenswerkstatt organisiert. Die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen oder gar einzubeziehen, sei problematisch gewesen, erinnert sich Jochen Schmidt, Mitbegründer und einer von drei Mitarbeitenden der Friedensbibliothek. Die Akteure seien von Vertretern des Staates kritisch beäugt und vom Geheimdienst beobachtet worden. „Zu Anfang der 1980er Jahre glaubten viele Leute, man könne sowieso nichts machen“, sagt Schmidt.

Antikriegsmuseum als Warnung vor Atomkrieg

Bei einer Veranstaltung der Evangelischen Akademie in Ostberlin im Dezember 1981 schlug der Physiker und Bürgerrechtler Bernd Kanter angesichts der Stationierung von Atomraketen in Ost und West vor, ein Antikriegsmuseum aufzubauen, um vor einem Atomkrieg zu warnen.

Während der Friedenswerkstatt 1982 hätten viele Leute Schlange vor der Sakristei der Erlöserkirche gestanden, um die Ausstellung zu sehen, berichtet Schmidt. Eine Gießkanne voller Spenden habe es gegeben. Die Spenden und das Meinungsheft, in das die Besuchenden etwas eintragen können, habe die Staatssicherheit ihnen weggenommen. Die Idee für eine Bild-Text-Ausstellung war geblieben.

Jochen Schmidt präsentiert zwei Bild-Text-Formate
Jochen Schmidt präsentiert zwei Bild-Text-FormateSabine Meißner

Nach zwei Jahren der Suche fanden sich mit Hilfe des damaligen

Pfarrers der Bartholomäuskirche am Friedrichshain feste Räume in einem Seitenschiff der Kirche. Alles war sehr schlicht, ohne Heizung. „Seit 1983 sind wir eine Einrichtung der Evangelischen Kirche“, erklärt Schmidt. „Damals wie heute ohne finanzielle Unterstützung der Kirche.“ Am 31. Mai 1984 wurde der ständige Ausstellungsraum eröffnet, ein Jahr später begann die Friedensbibliothek mit ihrer Arbeit. Anlass war der 40. Todestag des Theologen Dietrich Bonhoeffer, der am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg ermordet worden war.

Bis 1989 gab es 300 Ausstellungen, denen in den folgenden zehn Jahren 700 weitere folgten. Nicht ohne Stolz verweist Schmidt auf die Statistik, die mit Stand im Dezember 2022 insgesamt 2681 Ausstellungen an 595 Orten und in 15 Ländern mit 5,13 Millionen Besuchern sowie 11000 verleihbare Bücher ausweist.

Die Themen beschränken sich nicht auf Krieg und Frieden. Auch Sinn- und Wertefragen stehen im Fokus, etwa in der Ausstellung „Die gefährlichste Krankheit“. Sie beschäftigt sich mit der Entwurzelung von Menschen von der Weimarer Republik bis zur Gegenwart. Ein wichtiges Thema dabei sind jene, die mit ihrer Lebensweise ein Vorbild sein können und zur Verwurzelung, zum Ankommen beitragen. Deshalb werden in weiteren Ausstellungen andere Menschen vorgestellt, etwa Naturschützer, Kriegsdienstverweigerer oder die Begründerin der Reformpädagogik Maria Montessori. „Unser Ziel ist es, immer konkret zu sein und Hoffnung zu machen“, sagt Schmidt.

Mit viel Idealismus und auf Spendenbasis

Eine weitere wichtige Ausstellung ist „Der Gelbe Stern“, die in einer ersten Form schon 1988 zu sehen war. Sie zeigt Judenhass und Antisemitismus aus der Perspektive der Opfer. Eine andere Dokumentation widmet sich Menschen, die „Stille Helden“ waren, wie Otto Weidt, der Besitzer einer Berliner Blindenwerkstatt. Später wurde bekannt, dass er sich während des Holocausts schützend vor die bei ihm beschäftigten jüdischen Menschen gestellt hatte.

„Heute organisieren wir jährlich ­etwa 60 Ausstellungen“, sagt Jochen Schmidt. „Wir sind der Berliner Gemeinde Immanuelkirche in Prenzlauer Berg angeschlossen und dort in guter Nachbarschaft – positiv aus­gedrückt: wirtschaftlich selbstständig.“ Eine Gruppe freiwillig und unentgeltlich tätiger Menschen mit sehr viel Idealismus sei damit beschäftigt, die Ausstellungen zu organisieren – von der Ostsee bis zu den Alpen, von Dortmund bis Frankfurt/Oder. Einige machten sogar in der Schweiz, in Österreich, in Holland, Polen und Rumänien in der jeweiligen Landessprache Station.

Ständig auf Achse

Seit dem Jahr 2000 nutzt das Team Räume im Haus der Demokratie. „Einen festen Ausstellungsraum gibt es nicht“, bedauert Schmidt. Fast könnte man meinen, das Team arbeitet „im Verborgenen“. Denn es hier zu finden, ist gar nicht leicht. Jochen Schmidt und seine Helferinnen und Helfer sind ständig auf Achse, um Hintergrundinformationen zu wichtigen gesellschaftlichen Themen zusammenzutragen und zugleich Mittel für die Präsentation neuer Bilder und Texte zu organisieren.

Welche Rückmeldung erhalten die Ausstellungsmacher dieser Tage? Stellen die Besucherinnen und Besucher der Ausstellungen andere Fragen als vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine? Sie zögen oft Parallelen von einem Krieg vor vielen Jahren zu heute, sagt Jochen Schmidt. „Eigentlich ist der Tenor fast immer gleich: Krieg kennt keine Gewinner, sondern nur Verlierer.“

Über die Kriegsfolgen

Die Friedensbibliothek-Antikriegs­museum verleiht Ausstellungen und Bücher sowie Originalgegenstände aus verschiedenen Ländern. Neben biografischen Themen stehen kleinere Bildflächen zur Verfügung, unter anderem zu den Kriegsfolgen in Berlin, Dresden, Frankfurt am Main, Hamburg, Jena, München, Rotterdam, Stuttgart und Vietnam.

www.friedensbibliothek.de

Im Museum Pankow, Prenzlauer Allee 227/228, 10405 Berlin, ist bis zum 30. April 2023 die Ausstellung „Ein ­gewaltiger Anstoß zum Handeln – 40 Jahre Friedensbibliothek/Antikriegsmuseum“ zu sehen, Informationen unter: www.berlin.de/museum-pankow

Sabine Meißner ist freie Autorin