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Deutschland krisenfester machen

Ist Deutschland auf den Kriegsfall vorbereitet? Aber auch Hochwasserkatastrophen oder längere Stromausfälle können das Leben Hunderttausender durcheinander wirbeln. Seit 20 Jahren entwickelt eine Behörde Schutzmaßnahmen.

Pünktlich um 10:59 Uhr kam das Warnsignal per Handy oder Smartphone. Am 8. Dezember 2022 wurde zum ersten Mal bundesweit die Technologie “Cell Broadcast” getestet und zum Warnen eingesetzt.

Großbrände, gefundene Kriegsbomben, Starkregen oder Überflutungen: Seit Februar 2023 verfügt Deutschland auch offiziell über einen neuen Warn-Kanal bei drohenden Katastrophen, Unglücken oder Kriegsgefahr. Ein technisches System, das Warnungen per SMS direkt aufs Handy oder Smartphone schickt, und zwar passgenau bundesweit oder in einer Region oder nur in einer Funkzelle.

Verantwortlich für Cell Broadcast, das Sirenen, Radio und Fernsehen oder Warn-Apps ergänzt, ist das in Bonn ansässige Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Gegründet vom damaligen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), feiert es am 1. Mai seinen 20. Geburtstag.

Dass Deutschland besser für Katastrophen, Krisen und mögliche Kriegsdrohungen gerüstet sein müsste, wurde nach dem Ende des Kalten Krieges über Jahrzehnte verdrängt. Die Anschläge auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 und die Jahrhundertflut an Elbe und Donau 2002 zeigten dann, wie schnell die alltägliche Sicherheit bedroht ist. Derzeit ist dazu wohl wenig Überzeugungsarbeit notwendig: Der russischen Überfall auf die Ukraine und Ängste vor einem weiteren Übergriff russischer Truppen auf Osteuropa sind Argument genug.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte am Montag, Deutschland müsse krisenfester werden. “Die Pandemie, Extremwetter, Hochwasser und Waldbrände haben gezeigt, dass wir unsere Bevölkerung besser schützen müssen.” Auch verstärkte Cyberangriffe auf wichtige Infrastruktur zeigten, dass neben der militärischen Abschreckung und Verteidigung zwingend auch der Zivilschutz gestärkt werden müsse. Das geschehe unter anderem durch eine stärkere Zusammenarbeit von Bund und Ländern durch ein Gemeinsames Kompetenzzentrum für den Bevölkerungsschutz beim Bundesamt.

Auch Ralph Tiesler, Präsident des Bundesamtes, verwies auf ein erschüttertes Sicherheitsgefühl in Deutschland. “Unser wichtigstes Ziel ist eine Gesellschaft, die mit Krisensituationen umgehen kann.” So habe das Bundesamt in den vergangenen 20 Jahren 2.770 Fahrzeuge für Sanitätsdienst, Brandschutz und den Schutz vor chemischen, biologischen und radiologischen Gefahren an die Bundesländer übergeben. Neunmal gab es bundesländer-übergreifende Krisenmanagementübungen, in denen vom Stromausfall über eine Pandemie bis zum Cyberangriff unterschiedliche Bedrohungsszenarien geübt wurden.

Für die Zivilschutzexperten ist klar, dass Deutschland noch Vieles aufzuholen hat. Erst Anfang März forderte der Städte- und Gemeindebund vom Bund besseren Schutz der Bevölkerung, darunter mehr Bunker. Von den 2000 öffentlichen Schutzräumen aus dem Kalten Krieg seien nur noch 600 vorhanden, die rund 500.000 Personen aufnehmen könnten. Hauptgeschäftsführer Andre Berghegger bezeichnete es als unverständlich, dass im laufenden Haushalt ausgerechnet beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe um 40 Millionen Euro gekürzt werde. “Hier müsste man aufstocken.”

Klar ist auch, dass der Selbstschutz der Zivilbevölkerung verbessert werden muss – nicht nur für einen drohenden Krieg oder einen Atomunfall. Das BBK ermuntern die Bevölkerung etwa dazu, sich generell auf mögliche Eventualitäten vorzubereiten: einen längeren Stromausfall, einen Hausbrand, starkes Hochwasser und vieles mehr. Es sei “immer empfehlenswert, eine Weile autark leben zu können”, heißt es.

So rät das BBK zu einem Notvorrat an haltbaren Lebensmitteln und Getränken für zehn Tage. Auch sei es ratsam, einen mit den wichtigsten Dingen gepackten Rucksack griffbereit zu haben. Neben wetterfester Kleidung gehöre unter anderem auch die Hausapotheke dort hinein. Die wichtigsten, wasserdicht verpackten Unterlagen – wie Stammbuch, Zeugnisse, Testament, Patientenverfügung, Grundbuchauszüge und Impfpass – sollten in einer Dokumentenmappe zusammengestellt sein. Bei einem Stromausfall helfen unter anderem eine Taschenlampe, ein batteriebetriebenes Radio und ein Campingkocher.