Deutschland hinkt hinterher

Auf einer Tagung in Villligst kritisieren Menschenrechtsexperten die schleppende Umsetzung der UN-Behindertenkonvention

SCHWERTE – Der frühere Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD), hat die schleppende Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland kritisiert. Hier offenbarten sich Menschenrechtsdefizite, sagte Strässer auf einer Tagung in Schwerte. Zwar gehöre die Bundesrepublik zu den ersten Unterzeichnern des 2006 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Doch sei es hierzulande erst 2009 in Kraft getreten. Bei der Umsetzung hinke Deutschland weit hinter den skandinavischen Ländern hinterher.
Ein Grund für die Verzögerungen zur gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist nach Ansicht von Strässer der Föderalismus. „Beim Thema Barrierefreiheit heißt das 16 verschiedene Landesbauordnungen“, sagte er. Der Menschenrechtsexperte beklagte zudem, dass eine Inklusion auf dem Arbeitsmarkt kaum stattfinde. „Es greift zu kurz, die Inklusion nur auf den Bildungsbereich zu beschränken“, erklärte er.
Strässer forderte darüber hinaus eine gesetzliche Regelung für deutsche Firmen bei Verletzungen von Arbeits- und Menschenrechten in ausgelagerten Produktionsstätten im Ausland. Es sei ein Missstand, dass in einem solchen Fall nicht deutsche Gerichte zuständig seien, kritisierte er.
Der Theologe und Historiker Heiner Bielefeldt beklagte, dass 70 Jahre nach Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte die gesetzten Standards zunehmend „zerbröckeln“. Heute könnten sich wieder Staatsoberhäupter wie der philippinische Präsident Rodrigo Duterte mit der Feststellung rühmen „I' m a killer and I' m proud of it“ („Ich bin ein Killer und ich bin stolz darauf“), sagte der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfragen auf der Tagung in der Evangelischen Akademie Schwerte.
Im Gegensatz zu Strässer bescheinigte Bielefeldt Deutschland durchaus Erfolg bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Das sei aber vor allem auf zivilgesellschaftliches Engagement zurückzuführen, sagte der Professor für Menschenrechte an der Universität Erlangen-Nürnberg. Das gelte auch bei der rechtlichen Gleichstellung von Lesben, Schwulen und Transsexuellen. Die Debatte über Menschenrechte dürfe sich nicht auf die „klassischen Bürgerrechte“ beschränken, sondern müsse insgesamt breiter geführt werden, mahnte der Theologe. „Dazu gehören heute der Anspruch auf eine saubere Umwelt, auf Zugang zu sauberem Wasser oder auf fairen Handel.“
Veranstalter der Tagung war unter anderem die Arbeitsgemeinschaft Eine-Welt-Gruppen im Bistum Münster und in der Evangelischen Kirche von Westfalen. Der Titel lautete „Menschen haben Rechte – weltweit!“. epd