Der Pop-Star der Wohltäter wird heiliggesprochen

Die katholische Nonne Mutter Teresa wird an diesem Wochenende offiziell eine Heilige. Bis heute wird ihre Arbeit im überwiegend hinduistischen Indien respektiert. Doch es gibt auch Kritik.

Mutter Teresa starb im September 1997. Das Foto zeigt im Jahr 1996
Mutter Teresa starb im September 1997. Das Foto zeigt im Jahr 1996epd

Kalkutta. Indiens Megametropole Kalkutta bereitet sich auf die bevorstehende Heiligsprechung ihrer berühmtesten Bewohnerin vor. An diesem Sonntag, 4. September, wird Mutter Teresa in Rom heiliggesprochen. Schon zu Lebzeiten galt die kleine, unscheinbare Nonne in ihrem weiß-blauen Ordensgewand als Heilige. Sie war so etwas wie ein Pop-Star der Wohltäter. Die Ordensschwester empfing Prinzessin Diana in ihrem Sterbehospiz, traf den britischen Musiker Bob Geldorf und den US-Präsidenten Ronald Reagan.
Als sie 1979 für ihre "Arbeit zur Bekämpfung von Armut und Elend" mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, sagte sie das Bankett zu ihren Ehren ab, um das Geld ihrer Stiftung zu geben. Am 5. September 1997 starb sie an einem Herzleiden.

Intoleranz gegen religiöse Minderheiten

Kalkutta feiert die Heiligsprechung mit einem Filmfestival, einer Fotoausstellung, Gebeten und Gedenkveranstaltungen. Die Arbeit der Ordensschwester wird in ganz Indien sehr respektiert – unabhängig von der Religionszugehörigkeit. Rund 80 Prozent der indischen Bevölkerung sind Hindus, doch Indien hat auch bedeutende Minderheiten von Muslimen, Christen, Sikhs, Jainisten und Buddhisten. Indiens Verfassung garantiert die freie Ausübung der Religion.
Doch die Heiligsprechung der Christin fällt in eine Zeit wachsender Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten. Der Chef der hinduextremistischen Organisation Rastriya Svayamsevaka Sangha (RSS), Mohan Bhagwat, hatte sie im Februar scharf angegriffen: Ihre wahren Motive seien gewesen, die Menschen in Indien zum Christentum zu bekehren. Führende Politiker nahmen Mutter Teresa in Schutz. Delhis Regierungschef Arvind Kejrival etwa antwortete auf Twitter: "Bitte verschont Mutter Teresa. Sie war eine noble Seele."

Geboren im heutigen Mazedonien

Doch wenig kann darüber hinwegtäuschen, dass sich seit dem Amtsantritt von Premierminister Narenda Modi das Klima für religiöse Minderheiten verändert hat. Modi ist seit seiner Jugend Mitglied der paramilitärischen RSS. Seine zögernde Reaktion auf Lynchmorde an Muslimen und Verwüstungen von Kirchen wird ihm von vielen als stilles Einverständnis mit der Agenda der Hinduextremisten ausgelegt.
Mutter Teresa wurde am 26. August 1910 als Agnes Gonxha Bojaxhiu in Skopje geboren, heute Hauptstadt von Mazedonien, damals osmanisches Reich. Ihr Vater, ein wohlhabender albanischer Händler, starb, als sie acht Jahre alt war. Mit 18 verließ sie ihre Familie, um sich den Schwestern von Loreto im Kloster Rathfarmhan in Irland anzuschließen.
Schon als junges Mädchen wollte sie im südasiatischen Bengalen, damals Teil des britischen Kolonialreichs, arbeiten. Bereits ab 1929 arbeitete die Ordensschwester 17 Jahre in einer christlichen Schule in Kalkutta. Nichts deutete auf ihren späteren Werdegang hin.

Drastischer Einschnitt

Doch mit 38 Jahren vollzog Mutter Teresa einen drastischen Schnitt, ließ sich aus der strengen Ordensklausur entlassen, um allein auf sich gestellt den Armen und Obdachlosen Kalkuttas zu helfen. Wenig später, 1950, gründete sie die Gemeinschaft der "Missionarinnen der Nächstenliebe", die heute etwa 4.000 Schwestern in mehr als 130 Ländern zählt.
Kalkutta war durch die indisch-pakistanische Teilung und die große Hungersnot in Bengalen einige Jahre zuvor gezeichnet. Hunderttausende Arme lebten ohne Obdach auf den dreckigen Straßen, ohne nennenswerte staatliche Krankenversorgung.

Kritik von Mitstreiterinnen

Ansteckende Krankheiten wie Lepra oder Polio waren epidemisch. Als sich ein staatliches Krankenhaus weigerte, einen sterbenden Mann aufzunehmen, campierte Mutter Teresa aus Protest davor. Wenig später erbettelte sie von der Stadtverwaltung eine Pilgerunterkunft am Kali-Tempel, die sie in ein Hospiz für Sterbende umwandelte. Kritik entzündete sich an der schlichten Einrichtung ihrer Hospize und Krankenstationen und der minimalen medizinischen Versorgung.
Auch rissen Gerüchte nicht ab, die Ordensschwestern würden Kranke auf dem Sterbebett bekehren, was Mutter Teresa heftig dementierte. Es gab zudem wenig Transparenz, wie der Orden die Millionen von Spendengeldern verwendete. Mutter Teresas Ablehnung von Schwangerschaftsabbruch und Verhütung stieß ebenfalls auf viel Kritik. Selbst Mitstreiterinnen im Glauben, wie die katholische Lepra-Ärztin Ruth Pfau, hielten ihr vor, sich nicht um die Ursachen von Armut und Krankheit zu scheren. (epd)