Der Klimawandel und die Katastrophe von Südbrasilien

Nach den verheerenden Überflutungen im Süden Brasiliens zeigt eine erste wissenschaftliche Auswertung: Die Klimakrise war mitverantwortlich.

Viele Menschen stehen nach den Überschwemmungen in Brasilien vor dem Nichts
Viele Menschen stehen nach den Überschwemmungen in Brasilien vor dem NichtsImago / TheNews2

Mehr als 90 Prozent des brasilianischen Bundesstaates Rio Grande do Sul trafen die schweren Überschwemmungen vor rund einem Monat, Hunderttausende Menschen mussten ihre Häuser verlassen, mehr als 170 kamen ums Leben. Manche Orte stehen noch immer unter Wasser, viele haben alles verloren – und die Frage nach dem Warum wird immer lauter.

Eine Antwort ist schon klar: Der Klimawandel hat einen Einfluss. Zu dem Ergebnis kommt eine wissenschaftliche Auswertung der World Weather Attribution (WWA) zu den Überflutungen von Ende April und Anfang Mai. Demnach hat die aktuelle globale Erwärmung von etwa 1,2 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit das Risiko für die Überflutungen in der Region mehr als verdoppelt. Sollte der Temperaturanstieg gar die Zwei-Grad-Marke erreichen, prognostizieren die Forschenden eine weitere Verdopplung.

Überschwemmungen werden häufiger

Dass Überschwemmungen häufiger werden, spürt die Region schon jetzt. Drei der vier stärksten jemals aufgezeichneten Fluten hätten den Bundesstaat in den vergangenen neun Monaten getroffen, erklärt Regina Rodrigues, Klimaforscherin an der Föderalen Universität von Santa Katharina. In Zukunft könnte sich das noch verschärfen. Der Starkregen vor gut einem Monat wurde den Forschenden zufolge durch den Klimawandel auch sechs bis neun Prozent intensiver. Zur Klimakrise kamen in diesen Fall allerdings noch weitere ungünstige Faktoren hinzu. So hatte das Wetterphänomen El Niño laut der Auswertung einen ähnlichen starken Einfluss.

Porto Alegre ist die Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Rio Grande do Sul: Hier erinnert Matsch an die Überschwemmungen
Porto Alegre ist die Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Rio Grande do Sul: Hier erinnert Matsch an die ÜberschwemmungenImago / NurPhoto

Zwischen Temperaturanstieg und stärkerem Regen gibt es einen einfachen physikalischen Zusammenhang: Wärmere Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen, Regenfälle werden dadurch intensiver. Die globale Erwärmung sorgt außerdem für mehr und längeren Hochdruck über Südamerikas Küsten. Dadurch wird warme, feuchte Luft in den Süden des Landes gedrückt.

„Eine der schlimmsten Umwelt-Tragödien, die Brasilien je erlebt hat“

„Das war eine der schlimmsten Umwelt-Tragödien, die Brasilien je erlebt hat“, sagt die Klimaforscherin Rodrigues. Dutzende Menschen werden in Rio Grande do Sul noch immer vermisst.

Aktuell beginnen die Aufräumarbeiten, Zehntausende Menschen sind aber noch immer in Notunterkünften untergebracht. „An vielen Stellen liegen noch so viele Trümmer, dass die Menschen noch gar nicht bis zu ihren Häusern durchkommen“, sagt Micheli Fabiana Duarte, Direktorin von Cedeca Proame, einem Zentrum, das sich für den Schutz von Kindern und Jugendlichen einsetzt. Viele hätten alles verloren, ergänzt sie: „Ihre Häuser, aber damit auch einen Teil ihrer Geschichte.“

Frühwarnsysteme sind wichtig

Derweil hat auch die Diskussion begonnen, wer für die verheerenden Schäden der Überschwemmungen verantwortlich ist. Das Hochwasser war das stärkste seit Jahrzehnten, an vielen Stellen waren noch nie so hohe Pegelstände gemessen worden. „Es gab nur ein eingeschränktes Hochwasserrisiko-Bewusstsein“, erklärt Maja Vahlberg, Klimarisikoberaterin beim Climate Centre von Rotem Kreuz und Rotem Halbmond.

Die Aufräumarbeiten nach den Überschwemmungen in Rio Grande do Sul werden lange andauern
Die Aufräumarbeiten nach den Überschwemmungen in Rio Grande do Sul werden lange andauernImago / Fotoarena

In Zukunft seien darum nicht nur Frühwarnsysteme wichtig, sondern auch Aufklärung und dass die Menschen die Gefahrenzonen rechtzeitig verlassen. Zusätzlich habe auch die Infrastruktur für Hochwasserschutz versagt und sei an einigen Stellen nicht gut instand gehalten gewesen. Ein Damm in Porto Alegre begann beispielsweise schon bei einem Pegelstand von 4,5 Meter zu brechen, obwohl er eigentlich bis sechs Meter halten sollte.

Wissenschaftlerin Regina Rodrigues verweist außerdem auf einen direkten Zusammenhang zwischen der Abholzung und den Fluten: Zum einen verringere der massive Holzeinschlag natürlichen Schutz vor Überflutungen durch Bäume und Sträucher, zum anderen verschärfe die Abholzung die Klimakrise. Mittel- und langfristig seien darum neben Hochwasserschutz vor allem auch Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel nötig.