Der Hunger kommt mit voller Wucht zurück

Weltweit leiden immer mehr Menschen an Hunger. Schuld sind vor allem der Klimawandel und steigende Preise. Das stellt Hilfsorganisationen vor viele Probleme.

Diese Mutter füttert ihr Kind in Somalia
Diese Mutter füttert ihr Kind in SomaliaImago / Aurora Photos

Roba Bora hat schon vieles durchgemacht. Doch so schlimm wie jetzt sei es noch nie gewesen, berichtet der 70-jährige Kenianer. Wegen der lang anhaltenden Dürre am Horn von Afrika hat der Hirte fast seine gesamte Herde verloren – von 867 Tieren blieben nur 16 am Leben, wie er Roland Hansen von der Hilfsorganisation Malteser international berichtet hat.

„Die Hirten sind früher von weit weg hierher nach Hurri Hills gekommen, weil der Boden so fruchtbar war“, erzählt Bora. „Jetzt sieht es hier aus wie in einer Wüste.“ Der Familienvater wirkt deprimiert. „Ich schlafe nicht mehr, weil ich nicht weiß, wie es weitergehen soll.“

Globale Krise erwartet

Nach Jahren mit ermutigenden Entwicklungen ist der Hunger weltweit „mit voller Wucht zurück“, wie kürzlich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier konstatierte. Auch das World Food Programm (WFP) warnt vor einer globalen Nahrungsmittelkrise im kommenden Jahr. Mittlerweile seien 349 Millionen Menschen in 79 Ländern akut von Hunger betroffen – fast dreimal mehr als noch vor drei Jahren.

Eine tödliche Kombination aus Konflikten, Klimawandel und wirtschaftlichen Schocks treibt die Entwicklung voran. Etwa 828 Millionen Menschen weltweit sind laut Welthungerindex der Welthungerhilfe chronisch unterernährt, ein Anstieg von mehr als 150 Millionen seit Ausbruch der Corona-Pandemie vor gut zweieinhalb Jahren. „Trotzdem nimmt die Öffentlichkeit nur am Rande Notiz davon“, beklagt Manuela Roßbach, geschäftsführende Vorständin der „Aktion Deutschland Hilft“, einem Bündnis von über 20 Hilfsorganisationen von den Maltesern bis zu World Vision. Sie appelliert vor Weihnachten an die Bundesbürger, mit Spenden zum Kampf gegen den Hunger beizutragen.

Manuela Rossbach ist Geschäftsführerin der Aktion "Deutschland hilft"
Manuela Rossbach ist Geschäftsführerin der Aktion "Deutschland hilft"Imago / IPON

Klimawandel und Kriege sind entscheidende Ursachen: Wegen extremer Hitze sind indische Weizenspeicher – zweitgrößter Produzent weltweit – nur halb so voll wie 2021. Die Wassermassen in Pakistan und Nepal haben kostbares Ackerland zerstört. 60 Prozent der weltweit hungernden Menschen leben in Konfliktgebieten, sagt Hanna Schulz, bei World Vision für den Kampf gegen den Hunger zuständige Koordinatorin. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine wirkt zusätzlich wie ein Brandbeschleuniger.

Kaum Regen seit zwei Jahren

Besonders getroffen hat es das Horn von Afrika: Seit mehr als zwei Jahren hat es dort viel zu wenig geregnet. Mehr als 20 Millionen Menschen sind nach Angaben der Vereinten Nationen dort dringend auf Hilfe angewiesen. 7,46 Millionen Kinder sind akut unterernährt, fast 10 Millionen Nutztiere bereits verhungert. Weiden und Saatgut verdorren, Brunnen trocknen aus.

„Die Menschen in Ostafrika haben derzeit mit so vielen Krisen gleichzeitig zu kämpfen, so dass wir davon ausgehen, dass ohne Hilfe Tausende sterben könnten“, sagt Hansen, der Leiter der Afrikaabteilung von Malteser International ist. Dazu kommen in Somalia und Äthiopien noch bewaffnete Konflikte und eine wirtschaftliche Krise zur dramatischen Situation hinzu.

Mit der Kraft am Ende

„Nach mehr als zwei Jahren Dürre sind die Menschen am Ende mit ihrer Kraft und die Not ist riesig“, hat Hansen vor Ort erfahren. „Die Dürren treten als Folge des Klimawandels immer häufiger auf.

Ausgerechnet die Menschen, die selbst am wenigsten zur Erderwärmung beitragen, haben hart unter den Folgen zu leiden: sie hungern und ein Ende dieser Katastrophe ist nicht in Sicht.“

Auch für die Hilfsorganisationen stellen sich schwierige ethische Fragen, wie auch Hannah Egger von der „Aktion Deutschland Hilft“ betont: Müssen sie, weil Hilfsgelder fehlen und die Kosten für Lebensmittel, Saatgut, Dünger und Benzin stark gestiegen sind, die Hilfe auf weniger Menschen konzentrieren? Oder erhalten alle Hilfsbedürftigen insgesamt weniger?

Was jetzt gefragt ist

Gefragt sind zunächst Soforthilfemaßnahmen: Aufbaunahrung für Kleinkinder, warme Mahlzeiten für Schulkinder und Gesundheitsversorgung. Zugang zu sauberem Wasser sei zentral, sagt Hansen. Darüber fördern die Hilfsorganisationen längerfristige Maßnahmen: Gemüse und Pflanzen anbauen, die mit der Dürre besser zurechtkommen. Biologischen Dünger aus Tierdung herstellen oder Auffangbecken bauen, die Regenwasser sammeln und über Bewässerungskanäle verteilen.