Das warme Lächeln gibt’s dazu
Wenn sich sonntags eine lange Schlange auf der Wiese vor der Hamburger St. Trinitatis-Kirche Altona bildet, dann stehen die Menschen nicht für den Gottesdienst an. Sie warten auf Julia Radojkovic mit ihrem roten VW-Bulli und ihre mobile Suppenküche.
Hamburg. Alle zwei Wochen fährt Julia "Ju" Radojkovic sonntags mit ihrem knallroten VW-Bus T3 auf das Gelände der Hauptkirche St. Trinitatis Altona und verteilt vier Stunden lang Spenden. Ihr mit bunten Blumen beklebter Bulli ist bis unter das Dach bepackt mit Lebensmitteln, Kleidung, Plastikgeschirr und riesigen Suppentöpfen. Mit schnellen Handgriffen wird alles auf Klapptischen bereitgestellt, denn die Gäste warten schon auf die warme Mahlzeit.
Ein Team aus insgesamt etwa 20 ehrenamtlichen Helfern unterstützt sie dabei, Essen und Sachspenden auszugeben und ein bisschen für Ordnung zu sorgen. "Erst gibt es Essen, dann die Sachen", "Nicht auf die Tische stützen" – Radojkovic ist energisch, hat aber trotzdem für jeden ein offenes Ohr und ein ansteckendes Lächeln. Sie achtet auch darauf, dass die Helfer Gummihandschuhe tragen und sich trotz des Andrangs nicht aus der Ruhe bringen lassen. Viele von ihnen haben selbst Erfahrung mit dem Leben auf der Straße.
Wie alles begann
Begonnen hat die Ausgabe vor vier Jahren. Radojkovic kochte mit ein paar Helfern bei sich zu Hause Suppe und brachte sie mit ihrem Bulli zur Trinitatis-Kirche. "Dann wurden die Töpfe immer größer, und es kamen immer mehr Spenden hinzu", erzählt sie. Seit April betreibt sie die mobile Suppenküche zusammen mit dem "CaFée mit Herz" im ehemaligen Hafenkrankenhaus, wo sie seitdem auch als Sozialarbeiterin angestellt ist. So ist sie auch unter der Woche unterwegs, bietet obdachlosen Menschen individuelle Begleitung bei Arzt- und Behördengängen an und "läuft Platte ab".
Ihr privater Bulli ist immer noch im Einsatz: Fahrzeug, Transporter, Beratungsstelle und Büro in einem. Durch die Stelle beim "CaFée mit Herz" habe sie die Möglichkeit, die Ausgabe am Sonntag auf Dauer anzubieten. Mit einem anderen Job hätte sie vielleicht nicht mehr die Zeit gehabt. Außerdem ist sie jetzt die ganze Woche unterwegs. Es sei für sie "Leidenschaft geworden", sagt die 55-Jährige, die vorher in der Kinder- und Jugendhilfe gearbeitet hat.
Nicht allen Gästen sieht man das Leben auf der Straße direkt an. Es sind gemischte Leute, Alt und Jung, und nicht alle leben auf der Straße, weiß Radojkovic. "Jeder hat hier seine eigene Geschichte." Aber jeder ist willkommen. "Wir sind da für Arme mit und ohne Dach über dem Kopf", fasst sie die Zielgruppe zusammen. In der Schlange für die Hygieneartikel steht eine Mutter mit einem etwa zweijährigen Mädchen, dahinter ein Mann mit Gehwagen und eine Gruppe mittelalter Frauen.
200 Essen pro Tag
Die Spenden kommen von Privatpersonen. Eine Stamm-Spenderin bringt zwei große Kisten mit selbst gestrickten Mützen und Schals. Radojkovic arbeitet eng mit dem Verein "Hanseatic Help" und der "Hamburger Tafel" zusammen. Ein Punker-Pärchen mit Hund freut sich über eine originalverpackte Isomatte und einen Schlafsack. "Aber was für ein Stress, ey", sagt die junge Frau. Um die Plane, auf der Kleidung, Schuhe und Schlafsäcke liegen, herrscht ziemliches Gedrängel. Überwiegend Männer versuchen, passende Kleidung zu ergattern, es werden viele Sprachen gesprochen. Als es Geschrei gibt, kommt "Ju" vom anderen Ende der Wiese mit festem Schritt herüber und schlichtet den Streit.
An der Essensausgabe geht es ruhiger zu, die Menschen warten geduldig in der Schlange auf dampfend heißen Reis mit Erbsen und Möhren und Bulette. "Davon haben wir heute etwa 1.000 Stück gebraten", sagt Locke, der seit Beginn der Suppenküche fürs Kochen zuständig ist. Etwa 200 Essen geben er und die anderen Helfer aus, dann geht es noch weiter zu einem weiteren Standort.
Es gehe auch um die soziale Begegnung, sagt Radojkovic. Darum organisiert sie zweimal im Jahr ein Fest: Zum Sommerfest im September kamen 1.000 Menschen, neben Essen und Spendenausgabe gab es für die Gäste Fußpflege und Haarschnitte, außerdem waren das Arztmobil und das Zahnmobil des Caritasverbandes dabei. Die nächste reguläre Ausgabe ist am 21. Oktober. (epd)