Das Problem ist die Diagnostik

Die Erreger der Tuberkulose (TB) sind gewieft. Sie verstecken sich im Körper und sind vor allem dann schwer medikamentös, wenn sie resistent geworden sind. In den vergangenen Jahren aber habe es große Fortschritte gegeben, sagt Claudia Denkinger. „Früher musste man eine Antibiotika-resistente TB langwierig behandeln“, erklärt die Heidelberger Medizinprofessorin. Neue Medikamente ermöglichten nun eine Sechs-Monate-Therapie, ähnlich wie gegen nicht-resistente Tuberkulosebakterien. Doch dazu müssen die Erreger erst einmal gefunden und bestimmt werden – und das ist die große Herausforderung.

Tuberkulose ist in der westlichen Welt selten geworden, aber weltweit immer noch eine der häufigsten Infektionserkrankungen. Pro Jahr stecken sich laut der Weltgesundheitsorganisation 10 Millionen Menschen neu an, rund 1,5 Millionen sterben. Heute entfallen laut Informationen des Robert Koch-Instituts nur noch 2,5 Prozent aller Neuinfektionen auf Europa. Besonders viele davon gibt es in Afrika südlich der Sahara, in Süd- und Südostasien sowie in Ozeanien.

Weltweit ist nach Angaben des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose schätzungsweise jeder vierte Mensch infiziert. Die weit überwiegende Mehrzahl erkrankt zwar nie an Tuberkulose, die Fälle mit resistenten Erregern aber steigen. Nun gelte es, TB-Bakterien vor einer Behandlung besser auf Resistenzen zu testen, damit sie gegen diese neuen Medikamente nicht auch widerstandsfähig würden, sagt Denkinger, die Leiterin der Sektion Infektions- und Tropenmedizin am Zentrum für Infektiologie des Heidelberger Uni-Klinikums.

Die Diagnostik ist Denkingers Worten zufolge die größte Lücke in der Tuberkulose-Bekämpfung. Derzeit stütze sich sich noch sehr stark auf die Analyse von Bronchialsekret, das sogenannte Sputum. Kleine Kinder sind allerdings oft noch nicht in der Lage, dieses Sputum nach oben zu befördern, und HIV-positive Patienten produzieren oft erst gar kein Sputum. Weil ihr Immunsystem geschwächt ist, bleibt die Immunreaktion aus, bei der das Entzündungssekret gebildet wird.

Außerdem werde oft noch veraltete Diagnostik angewandt, sagt Denkinger: „Da wird vielfach noch die Mikroskopie verwendet.“ PCR-Tests, die bakterielle DNA nachwiesen, seien in vielen Ländern kaum verfügbar. Hier habe die Covid-Pandemie eine leichte Verbesserung mit sich gebracht.

Allerdings hat Corona mit Lockdowns und Versorgungsengpässen vieles zunichtegemacht. „Man schätzt, dass die Bekämpfung der TB durch Corona um etwa sechs Jahre zurückgeworfen wurde“, sagt Denkinger. Auch ein Grund dabei: Die Symptome von Tuberkulose und Covid – Husten und Fieber – ähneln sich. Wenn die Symptome offensichtlich für Corona-Erscheinungen gehalten werden, bleibt oft eine Untersuchung auf Tuberkulose aus.

Auf dem Feld der Diagnostik tut sich in der Forschung jedoch derzeit gerade viel. So solle es künftig Tests geben, für die Patienten kein Sputum mehr abgeben müssten, sondern bloß einen Zungenabstrich, erläutert Denkinger. Auch ein Nachweis von TB-Erbgut im Urin könnte möglich sein. Technisch seien diese Methoden allerdings noch nicht ausgereift, räumt die Professorin ein.

Denkinger selbst forscht an technischen Verbesserungen, um das individuelle Tuberkulose-Risiko einzuschätzen. Diese Verbesserungen sollen digitale Technik nutzen, auch Künstliche Intelligenz (KI). Entsprechende Apps für Smartphones beispielsweise. „Die Hoffnung ist, dass Apps uns dabei helfen, besser zu wissen, wer ein hohes Risiko für TB hat“, erklärt Denkinger. In wessen Dorf zum Beispiel gerade viele Krankheitsfälle gemeldet sind, oder welche Personen andere Erkrankungen haben, die das Risiko für Tuberkulose erhöhen – wie etwa HIV.

KI kann vielleicht noch mehr. Smartphones könnten Hustengeräusche aufzeichnen, sagt die Professorin: „Dann kann eine KI analysieren, ob das ein für TB typisches Hustenmuster ist.“ Im besten Fall könne eine solche Vorauswahl durch Apps und KI dazu beitragen, die Zahl der Tests zu senken. Die knappen Möglichkeiten für Diagnostik im globalen Süden könnten dann effizienter eingesetzt werden.