„Civil War“ – Kluger Zukunfts-Film über die Gegenwart

In den von einem Bürgerkrieg zerrissenen USA versucht eine kleine Gruppe Journalisten aus New York, für ein Interview mit dem autoritären Präsidenten nach Washington zu reisen. Ein Zukunftsszenario mit Gegenwartsbezug.

Der US-Präsident (Nick Offerman) soll vor die Presse treten. Die Kamera ist nah an seinem Gesicht, während er noch konzentriert seine Rede durcharbeitet. Man stehe kurz vor dem größten militärischen Triumph, heißt es darin. Eine Lüge, wie sich im Verlauf von „Civil War“ herausstellt.

Während der Politiker seine mediale Maske zurechtrückt, schleudert die Montage Bilder der Gewalt wie Blitze dazwischen. Es tobt ein brutaler Bürgerkrieg. Nicht irgendwo auf der Welt, sondern mitten in den USA. Texas und Kalifornien, die sich in der aktuellen Realität politisch so diametral gegenüberstehenden Staaten, führen die sogenannten „Western Forces“ an, die das antidemokratische Staatsoberhaupt aus dem Oval Office bomben wollen.

Das ist der grobe Rahmen, innerhalb dessen Regisseur und Drehbuchautor Alex Garland einen ungemein komplexen Film aufspannt. Bei der Reise in das Herz des demokratischen Zerfalls folgt der Film Kriegsfotografin Lee (Kirsten Dunst) und Reporter Joel (Wagner Moura). Beide konzentrieren sich professionell darauf, das Grauen sichtbar machen und möglichst nahe an den Tod heranrücken.

In der ersten Szene nach der Rede des Präsidenten zerfetzt eine Sprengladung mit wehender US-Fahne in New York eine Menschengruppe, die auf ihre Wasserration wartet. Nur mit Glück entgeht die Fotografin dem Tod. Leichen liegen herum. Lee wandert mit der Kamera durch das Schlachtfeld aus Körpern. Sie dokumentiert und hält fest, damit eine politische oder auch moralische Debatte entstehen kann.

Auf die Verwüstungen des Attentats an der Wasserausgabe folgt ein Schnitt in die Lobby eines Hotels. Dort hat sich ein Großteil der Presse versammelt. Man befindet sich in Sicherheit. Der Job bleibt draußen vor der Tür. Jetzt wird getrunken. Wüsste man nicht um den Krieg, könnte man sich auch im Pressebereich eines großen Filmfestivals wähnen. Letztlich aber konkurrieren alle um die besseren Bilder und die krassere Story.

In der Hoffnung, das erste Interview mit dem Präsidenten seit zwölf Monaten zu bekommen, machen sich Lee und Joel gemeinsam mit der jungen Nachwuchsfotografin Jesse (Cailee Spaeny) und dem altgedienten New-York-Times-Reporter Sammy (Stephen McKinley Henderson) auf den über 500 Meilen langen und gefährlichen Weg nach Washington D.C.. Eine Reise, auf der auch ihre journalistischen Ideale unter Beschuss geraten.

„Civil War“ ist, anders als der Trailer nahelegen könnte, weit davon entfernt, ein plumper dystopischer Actionthriller zu sein. Auch lässt sich das Szenario nicht als Kommentar zu Donald Trump und dessen autoritärer Politik lesen. Wie in all seinen Filmen geht es Alex Garland um strukturelle und philosophische Fragen – diesmal vor allem um Bilderpolitiken und das journalistische Geschäft mit dem Krieg.

Letztlich verdient auch die Medienbranche an den Kriegen der Welt, so unangenehm diese Tatsache auch sein mag. „Civil War“ zeigt mit unerbittlicher Härte, dass die Bilder selbst eine Waffe sind und die Ästhetik der Fotografie mitunter darüber bestimmt, in welche Richtung das Pendel der Geschichte ausschlägt. Die Grenzen zwischen Soldaten und Journalisten verwischen.

Doch „Civil War“ belässt es nicht bei dieser Reflexion über den Journalismus. Vielmehr entwickelt sich der Film zunehmend zu einer beißenden Kritik an der Hybris der Vereinigten Staaten. Die Gewalt der Weltkonflikte seit 9/11 bricht jetzt als Wiederholung typischer Kriegsbilder über das Land selbst herein. Der Selbstmordattentäter lässt an den Nahen Osten denken, die Massengräber an den Krieg im Kosovo, und die brennenden Menschen rufen Erinnerungen an Vietnam wach.

Um sich dabei nicht selbst der Glorifizierung des Kampfes oder gar des Heroismus schuldig zu machen, benutzt Garland emotional gegenläufige Atmosphären, wenn er auf brutalste Szenen eine traumwandlerische Road-Movie-Ästhetik im Stile von New Hollywood folgen lässt. „Civil War“ ist ein ganz großer, selbstbewusster und kluger „Zukunfts-Film“ über unsere Gegenwart.