Charite-Arzt: Migranten werden bei Krebsforschung benachteiligt

Die Berliner Charite hat sich zum Ziel gesetzt, Migranten besser in klinische Studien für die Krebsforschung einzubinden. Am Wochenende startet der erste Patientenkongress für Betroffene und ihre Angehörigen.

Migranten werden nach Einschätzung eines Experten in der Krebsforschung in Deutschland benachteiligt. Bei klinischen Studien der Onkologie seien Migranten unterrepräsentiert, sagte Jalid Sehouli, Direktor der Klinik für Gynäkologie am Campus Virchow-Klinikum, am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin. So werde ihnen seltener als anderen die Teilnahme an klinischen Studien angeboten. Dies habe etwa eine Brustkrebs-Studie der Charite gezeigt.

“Medizin ist für alle da. Die Wissenschaft soll der ganzen Bevölkerung helfen – und muss ihr deshalb erst einmal entsprechen. Wir sind da in der Bringschuld”, sagte Sehouli, der auch stellvertretender Direktor des Charite Comprehensive Cancer Centers (CCCC) ist. Die Charite startet am Wochenende den ersten Patientenkongress für Betroffene und ihre Angehörigen zur kultursensiblen onkologischen Versorgung.

“Dass Menschen an klinischen Studien teilnehmen, ist die Voraussetzung für die Weiterentwicklung von Therapiestandards. Das ist besonders in der Krebsforschung wichtig”, so Sehouli. “Wenn gewisse Bevölkerungsgruppen bei diesen Forschungen aber ausgeklammert werden – neben Migranten sind das etwa auch Menschen über 80 mit Krebs – , dann kann man die Studienergebnisse nicht einfach unkritisch auf diese Menschen übertragen.”

Neben strukturellen Problemen gebe es etwa auch Sprachbarrieren: “Das Aufklärungsmaterial zu Studien gibt es in bestimmten Sprachen einfach nicht”, sagte der Mediziner. “Oder sie sind so formuliert, dass nur eine gut gebildete Person mittleren Alters alles versteht – ältere Menschen zum Beispiel auch nicht.” Menschen mit Migrationshintergrund würden durchaus an Studien teilnehmen, “wenn man ihnen das richtig erklärt”.

Auch wenn es mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede zwischen erkrankten Patienten gebe: “Es gibt onkologische Studien, die sind erfolgreich in Europa, aber in Südkorea oder Japan nicht, da haben die Patienten plötzlich viel mehr Nebenwirkungen. Das hat mit einem anderen Stoffwechsel zu tun”, sagte Sehouli.

Grundsätzlich sei es ein Risiko in der Medizin, nicht kultursensibel zu sein. “Wenn zum Beispiel jemand Person of Colour ist, äußern sich bestimmte Hauterkrankungen anders, als wenn jemand eine helle Haut hat. Und wenn der Arzt da nicht trainiert ist, kann man davon ausgehen, dass es Fehldiagnosen geben wird”, so Sehouli, der selbst marokkanische Wurzeln hat und in Berlin-Wedding aufgewachsen ist.

In den USA sei etwa schon lange bekannt, wie wichtig Diversität in Studien sei und werde immer wieder eingefordert: Dazu gehöre Vielfalt in den Rubriken Gender, Migration und Einkommen.