Wie hältst du’s mit der Kirche?

Als Gemeinschaft der evangelischen Wochenzeitungen haben wir den im Bundestag vertretenen Parteien acht Fragen rund um Kirche und Diakonie als Wahlprüfsteine gestellt. Bis auf die AfD haben alle geantwortet. Als Zusatz haben wir noch eine persönliche Frage an die Spitzenbewerber gestellt, da bekamen wir drei Antworten.

Blick in den Plenarsaal des Bundestags
Blick in den Plenarsaal des BundestagsChristian Ditsch / epd

1. Allgemein: Warum sollen Christen Ihre Parteien wählen?

Bündnis90/DieGrünen
Es gibt zahlreiche elementare Überschneidungen zwischen Grüner Politik und dem Engagement von Christ*innen. Diese sind besonders im Klima- und Umweltschutz, bei der sozialen und caritativen Arbeit sowie im Bereich der Seenotrettung und der Integration von Geflüchteten ausgeprägt. Wir schätzen die wertvollen gesellschaftlichen Beiträge von Christ*innen in diesen Bereichen sehr. Zudem ist für uns der Schutz des Grundrechts auf Religions-, Gewissens- und Weltanschauungsfreiheit zentral. Wir wollen es, auch weltweit, weiter stärken und religiös oder weltanschaulich Verfolgte schützen.

CDU
CDU und CSU stehen für eine vom christlichen Menschenbild geleitete Politik. Die Würde des einzelnen Menschen, seine Gottesebenbildlichkeit und seine Freiheit, sein Recht auf Leben und Selbstverwirklichung – das sind die Maßstäbe, die wir Christdemokraten und Christsozialen bei allem anlegen, was wir tun. Das „C“ in unserem Namen gibt uns Orientierung und das Evangelium setzt unserer Politik Leitplanken. Zugleich verstehen wir die christliche Botschaft als eine Botschaft des Dafürseins: Es spricht eine Einladung an alle aus, die sich zu unseren Werten bekennen.

Die Linke
Frieden und Gerechtigkeit sind zentrale Themen, die sowohl für viele Christinnen und Christen als auch für DIE LINKE wichtig sind. DIE LINKE tritt für den Frieden ein. Wir wollen die Bundeswehr aus den Auslandseinsätzen zurückholen. Als einzige Bundestagspartei haben wir gegen jede Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes gestimmt haben. Waffen- und Rüstungsexporte wollen wir verbieten. Wer arbeitslos wird, darf nicht in Armut und Hartz IV abstürzen. Das Arbeitslosengeld I muss länger gezahlt werden. Die Hartz-IV-Sätze sind Armut per Gesetz und reichen nicht für angemessene Ernährung. Wir wollen stattdessen eine Mindestsicherung von 1.200 Euro einführen, die nicht gekürzt werden kann („sanktionsfrei“). Wir wollen eine Gesellschaft, die frei ist von Ausgrenzung und Ausbeutung und die jede*n mitnimmt. Mit gleichen Rechten für alle, die hier leben. Mit einem funktionierenden Sozialstaat und guten öffentlichen Dienstleistungen für alle. Wir erteilen jeder Form der Diskriminierung und des Rassismus eine Absage. Wir wollen hohe Vermögen und Erbschaften gerecht besteuern. Wer mehr hat, gibt mehr ab. Mit den Einnahmen sollen Schulen, Krankenhäusern und bezahlbare Wohnungen in öffentlichem Eigentum finanziert werden. Denn was für alle da ist, muss allen gehören. Zwei Drittel der weltweiten CO2-Belastung wird von 100 Großkonzernen verursacht. Für konsequenten Klimaschutz sollen deshalb nicht die einfachen Leute zur Kasse gebeten werden, etwa durch höhere Mieten oder steigende Strompreise. Wir müssen bereit sein, uns mit den Konzernen anzulegen. Nur so kann es eine klimagerechte Zukunft für alle geben. Wir wollen Bus und Bahn ausbauen und den Öffentlichen Nahverkehr kostenfrei machen.

FDP
Wir Freie Demokraten sehen Deutschland als eine liberale und offene Gesellschaft. Religionen sind wichtige Quellen für Zusammenhalt, Sinn und Wertvorstellungen. Sie orientieren Glaubende und ihre Gemeinschaften in den wichtigen Fragen des guten Lebens. Die für unser gutes gesellschaftliches Zusammenleben verbindliche Werteordnung ist aber unser Grundgesetz mit all seinen Werten. Für viele Christen ist das kein Widerspruch. Denn unser Verständnis der für das Grundgesetz so maßgeblichen Würde und Freiheit des Einzelnen ist von christlichen Vorstellungen tief geprägt. Das gilt auch für die christliche Soziallehre, die unser Verständnis der Sozialen Marktwirtschaft maßgeblich fundiert.

SPD
Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werben wir für eine Politik des Respekts, die den Grundwerten Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität verpflichtet ist. Unser Parteiprogramm hat wichtige Orientierungen aus der christlichen Ethik erfahren. Wir kämpfen für die Würde aller Menschen und setzen uns für die Bewahrung der Schöpfung ein. Uns ist dabei besonders die Solidarität gilt für uns nicht nur für Menschen im eigenen Land: Wir kämpfen für faire Lieferketten und fühlen uns ganz besonders der internationalen Verantwortung und dem Frieden verpflichtet.

2. Allgemein: Was erwarten Sie von den Kirchen? Sind Ihnen die Kirchen zu politisch? Oder ist das Gegenteil der Fall?

Bündnis90/DieGrünen
Wir schätzen auch das gesellschaftspolitische Engagement von den Kirchen für die Umwelt und das Klima, für Geflüchtete und Hilfesuchende sowie ihre Arbeit mit Pflegebedürftigen, Menschen mit Behinderungen und Kindern sehr. Unser demokratischer Rechtsstaat ist auf ein solches Engagement von zivilgesellschaftlichen Akteur*innen angewiesen. Wichtig ist, dass dies auf dem Grundsatz der Trennung von Kirche und Staat basiert. Der Staat darf sich nicht mit einer Religionsgemeinschaft identifizieren und muss das Grundrecht auf Religions-, Gewissens- und Weltanschauungsfreiheit achten und schützen.

CDU
Grundsätzlich sind die Kirchen unabhängig und das respektieren CDU und CSU. Es wäre unangemessen, vonseiten der Politik Erwartungen zu formulieren. Gleichzeitig ist es uns wichtig, dass ein kooperatives Verhältnis zwischen Staat und Kirchen besteht. Die Kirchen sind ein wichtiger Dialogpartner für die Politik. Sie lenken den Blick auf diejenigen, die es schwer haben – das hat sich einmal mehr während der Corona-Pandemie gezeigt. Deshalb ist es wichtig, dass sich Kirchen auch öffentlich äußern – gerade bei wichtigen ethischen und sozialen Fragen. Sie sollen eine hörbare Stimme in der Öffentlichkeit haben.

Die Linke
Kirchen können nicht unpolitisch sein, wenn es etwa um den Erhalt der Demokratie, die Bewahrung der Schöpfung, Frieden oder Flucht und Asyl geht. Wir schätzen die Beiträge der Kirchen dazu, wie etwa das Zweite Gemeinsame Wort „Vertrauen in die Demokratie stärken“ vom Rat der Evangelischen Kirche und der Bischofskonferenz 2019. Gefordert wird darin u.a. ein funktionierender Sozialstaat, der Armut bekämpft und soziale Teilhabe garantiert. Dieser wird nicht nur als ein Bestandteil sozialer Marktwirtschaft verstanden, sondern zugleich als eine Voraussetzung der Demokratie. Gefährdet ist sie durch die große wirtschaftliche und soziale Ungleichheit. Dagegen wird gefordert, dass es keine „Abgehängten“, „Zurückgelassenen“ und „Vergessenen“ geben darf. Die vorrangige Option für die Armen ist für die Kirche nicht nur eine theologische Aussage und ein christliches Bekenntnis, sondern auch ein sozialethisches Prinzip. Dafür steht auch die LINKE, auch wenn sie keine Religions- oder Weltanschauungspartei ist. Auch wenn die Kirchen kein eigenes politisches Programm verfolgen, so ist die Verkündung des Evangeliums durch die Kirchen deshalb doch alles andere als unpolitisch, heißt es weiter. Darin unterstützen wir die Kirchen gerne.

FDP
Die Kirchen haben, wie jede andere religiöse Gemeinschaft, jedes Recht, sich politisch zu positionieren und einzumischen. Wir erwarten, dass religiöse Gemeinschaften dabei die Werte und das Menschenbild des Grundgesetzes mit Leben füllen und zum vielfältigen Wettbewerb der Ideen für ein besseres Zusammenleben beitragen. Umgekehrt gehört Religionskritik zum Selbstverständnis und den notwendigen Traditionen freiheitlich-demokratischer Gesellschaften. Ob sich durch die politische Positionierung von Kirchentagen und christliche Persönlichkeiten immer alle Christen gut vertreten fühlen, ist innerkirchlich zu klären.

SPD
Unsere Geschichte lehrt uns, dass die Demokratie nicht ohne die Freiheit des Glaubens, der Religion und Weltanschauung zu verwirklichen ist. Nicht ohne Grund garantiert das Grundgesetz Kirchen und Religionsgemeinschaften weitreichende Möglichkeiten, sich im öffentlichen Raum zu entfalten.
Für uns Sozialdemokrat/innen ist das Wirken der Kirchen und Religionsgemeinschaften durch nichts zu ersetzen, insbesondere wo sie zur Verantwortung für die Mitmenschen und das Gemeinwohl ermutigen und Tugenden und Werte vermitteln, von denen die Demokratie lebt.

3. Kirche und Staat: Was halten Sie von der historisch gewachsenen Sonderstellung der großen Kirchen in Deutschland?

Bündnis90/DieGrünen
Wir wollen die gewachsene Beziehung zwischen Staat und den christlichen Kirchen erhalten, sie aber wo nötig stärker an die religiöse und weltanschauliche Pluralität der Gesellschaft anpassen. So sprechen wir uns beispielsweise für eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts aus. Die gewerkschaftliche Mitbestimmung muss gefördert und die Ausnahmeklauseln für die Kirchen im Betriebsverfassungsgesetz und im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz aufgehoben werden. Der religiöse Verkündigungsbereich bleibt hiervon unberührt.

CDU
Die historisch gewachsene Sonderstellung der Kirchen halten wir für eine große Errungenschaft und für einen wertvollen Bestandteil unserer Verfassungsordnung. Sie bietet die Grundlage für beständigen Dialog und Austausch. Das Religionsverfassungsrecht ist flexibel und bietet klug ausbalancierte Rahmenbedingungen für den Umgang mit religiöser Vielfalt in unserem Land.

Die Linke
Die Sonderstellung ist historisch gewachsen und bezieht auch daher Legitimität. Wir setzen uns dafür ein, dass die religionsverfassungsrechtlichen Regelungen der Kirchen auch für die anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften Geltung erlangen, wie es das Grundgesetz in Artikel 137 Absatz 7 des vorsieht. Insbesondere die Muslime in unserem Land werden vielfältig diskriminiert und benötigen diese Gleichstellung.

FDP
Wir Freie Demokraten schätzen die Kirche als wichtige Institution. Um aber jetzt historisch auch gewachsenen Vielfalt religiöser Gemeinschaften in Deutschland gerecht zu werden, wollen wir das Staatskirchenrecht zu einem Religionsverfassungsrecht weiterentwickeln. Es soll einen passenden rechtlichen Status bieten für alle Religionsgemeinschaften, die das Gleichheitsgebot und die Glaubensvielfalt, die Grundrechte sowie die Selbstbestimmung ihrer Mitglieder anerkennen. Es schützt die Freiheit, dass religiöse Menschen sich in eigenen Angelegenheiten selbst organisieren und bestimmen. Es stellt zugleich sicher, dass dies immer in den Grenzen der Verfassung geschieht. Das ist moderner als die strikte Laizität etwa in Frankreich, wo der Staat Schwierigkeiten hat, mit Religionsgemeinschaften überhaupt ins Gespräch zu kommen. Tanzverbote und ähnliche Einschränkungen an stillen Feiertagen wollen wir abschaffen. Ebenso müssen kirchliche Privilegien im Arbeitsrecht abgeschafft werden, soweit sie nicht Stellen betreffen, die eine religiöse Funktion ausüben.

SPD
Die SPD bejaht das kooperative Verhältnis zwischen Staat und Kirchen (und Religionsgemeinschaften), wie es das Grundgesetz vorsieht, wie es die SPD in ihren Grundsatzprogrammen seit Godesberg 1959 vertritt und zuletzt auch im Grundsatzprogramm von Hamburg 2007 bestätigt hat. Dies hat sich in der Praxis unseres Landes und im vertrauensvollen Miteinander zwischen Staat und Religionsgemeinschaften über Jahrzehnte bewährt. Das deutsche Modell der fördernden Neutralität des Staates in Bezug auf Kirchen und Religionsgemeinschaften als ein wegweisendes Modell für unsere Zukunft unterstützen wir.

4. Kirche und Staat: Wie stehen Ihre Parteien zur Kirchensteuer?

Bündnis90/DieGrünen
Die Entscheidung, ob die Kirchensteuer durch das Finanzamt oder die Kirchen eingezogen wird, soll den Bundesländern überlassen werden. Wir sehen jedoch einen Reformbedarf des Kirchensteuereinzugs. So sprechen wir uns für eine Reform der Besteuerung von glaubensverschiedenen Ehen, der Kirchensteuerzahlung bei geringfügig Beschäftigten, der Sonderausgabenabzugsmöglichkeit der Kirchensteuer sowie des Datenschutzes beim Zwang zur Offenbarung der Kirchenzugehörigkeit gegenüben Dritten aus.

CDU
Die Kirchensteuer halten CDU und CSU für ein gutes und bewährtes System. Damit kann die Handlungsfähigkeit der Kirchen erhalten werden. Sie bleiben damit von Spenden weitgehend unabhängig und können langfristig planen. Das erleichtert auch den Dialog in der Gesellschaft. Der Steuereinzug erfolgt über die Finanzämter und die Kirchen beteiligen sich an den Verwaltungskosten, weshalb keine Abhängigkeit entsteht.

Die Linke
Die Linke tritt für die institutionelle Trennung zwischen Staat und Kirche und den Religionsgemeinschaften ein. Diese von der Verfassung gebotene Trennung wird durch die bestehende Rechtsform der Kirchensteuer verletzt. Die Kirchensteuer ist Teil einer intensiven Verflechtung von Staat und Kirche. Ihre Erhebung erfolgt durch die Finanzämter nach einem staatlichen Kirchensteuerrecht und ist eine Zusatzsteuer zum staatlichen Steuersatz. Von ihrer Entstehung her ist sie ein Relikt einer vordemokratischen Allianz von Thron und Altar. Sie widerspricht dem Grundverständnis eines säkularen Staats in einer multireligiösen, multikulturellen und säkularen Gesellschaft. Wir treten daher dafür ein, dass die Kirchen in Zukunft ihre Steuern bzw. Beiträge selbstständig einziehen, wie es etwa in Bayern bereits Praxis ist.

FDP
Dass eine Glaubensgemeinschaft durch ihre Mitglieder finanziert wird, finden wir Freie Demokraten richtig. Es gibt aus unserer Sicht aber viele Gründe, die dafür sprechen, Staat und Kirche stärker voneinander zu trennen.

SPD
Der Einzug der Kirchensteuer ist ein rein technischer Vorgang, die Kirchen bzw. anerkannten Religionsgemeinschaften entscheiden selbst, ob sie eine Steuer erheben. Allen Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des Öffentlichen Rechts sind, steht der Weg des Steuereinzugs offen. Der Staat bekommt für den Einzug der Kirchensteuern eine Aufwandsentschädigung in Höhe von zwei bis vier Prozent des von ihm erhobenen Steueraufkommens, womit die Kosten mehr als gedeckt werden. Die SPD strebt hier keine Änderungen an.

5. Kirche und Staat: Wie stehen Ihre Parteien zur Ablösung der Staatsleistungen?

Bündnis90/DieGrünen
Wir setzen uns dafür ein, dass der bereits seit über 100 Jahren bestehende Verfassungsauftrag über die Ablösung der Staatsleistungen endlich umgesetzt wird. Wir haben dazu bereits einen interfraktionellen Gesetzesentwurf über ein Grundsätzegesetz erarbeitet. Dieses stellt sicher, dass die Länder ihrer verfassungsrechtlichen Pflicht zur Ablösung der Staatsleistungen rechtssicher nachkommen können. Wir werden unser Anliegen auch in der kommenden Legislaturperiode weiterhin entschlossen vertreten.

CDU
CDU und CSU sind offen gegenüber einer Ablösung der Staatsleistungen und wir denken, dass zunächst ausführlich mit den Kirchen hierüber diskutiert werden sollte. Wichtig ist uns ein transparenter, offener und konstruktiver Austausch sowie eine einvernehmliche Lösung zwischen Kirchen, Bund und Ländern. Das ist wichtig, um sich über die konkrete Ablöseregelung und die Höhe des Ablösefaktors zu einigen. Wir sollten uns genug Zeit für diese Debatte nehmen.

Die Linke
Die Weimarer Reichsverfassung wollte die Finanzbeziehungen des Staates zu den Religionsgemeinschaften entflechten. Deshalb verankerte sie einerseits das Gebot in der Verfassung die Staatsleistungen abzulösen und andererseits als Kompensation gewährleistete sie die Kirchensteuer verfassungsrechtlich. Deshalb fordert die LINKE sowohl eine unverzügliche Umsetzung der Ablösung der Staatskirchenleistungen als auch eine Weiterentwicklung der Rechtsformen sowie der Finanzierung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die dem verfassungs- und menschenrechtlichen Gebot der Gleichbehandlung entspricht. Im März 2020 legten die Bundestagsfraktionen von FDP, DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen einen Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag vor, der gemäß Artikel 140 des Grundgesetzes und Artikel 138 der Weimarer Reichsverfassung die Einlösung und damit auch abschließende Regelung eines seit 100 Jahren offenen Verfassungsauftrages vorschlägt.

FDP
Die evangelische und die katholische Kirche finanzieren sich neben der Kirchensteuer auch durch staatliche Gelder. Es ist heutzutage schwierig, dem Steuerzahler ohne religiöse Bindung zu vermitteln, dass er die Kirche mitfinanzieren soll. Eine Ablösung der Staatsleistungen ist nicht nur fair, sondern steigert hinzu die Glaubwürdigkeit der Kirche, da dadurch ein wichtiger Beitrag zur Neutralität und Gleichstellung der Kirche mit anderen Körperschaften geleistet wird.

SPD
Die SPD steht zu den grundgesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen für die Beziehungen zwischen Staat und Kirchen. Dennoch bedürfen die zwischen Bund, Ländern, Kommunen und Kirchen vertraglich und rechtsgültig vereinbarten Staatsleistungen in einzelnen Bereichen durchaus einer Prüfung. SPD-Expertinnen und Experten aus Bundestagsfraktion und Partei sind daher in Gesprächen mit Kirchenvertreterinnen und -vertretern und der Wissenschaft. Bund, Länder und Kommunen müssen einbezogen werden, damit ein breiter politischer und gesellschaftlicher Konsens gefunden werden kann.

6. Diakonie und Sozialpolitik: Welche Aufgaben und welche gesellschaftliche Rolle haben für Sie die christlichen Wohlfahrtsverbände wie Diakonie und Caritas – auch im Blick auf die Zukunft der Gesellschaft?

Bündnis90/DieGrünen
Die christlichen Wohlfahrtsverbände geben unserer Gesellschaft vielfältige Impulse und leisten einen wichtigen Beitrag für den Zusammenhalt. Für die Arbeit mit Pflegebedürftigen, Menschen mit Behinderungen und Kindern sind kirchliche Träger von großer Bedeutung, um nur einige Bereiche zu nennen. Gleiches gilt für die Flüchtlingsarbeit. Aus Gründen der Wahlfreiheit ist es aber auch wichtig, dass soziale Angebote die religiöse und weltanschauliche Pluralität der Gesellschaft abbilden. Wir unterstützen deshalb Konzepte zur kultursensiblen und pluralistischen Fortentwicklung der Wohlfahrtspflege.

CDU
Die christlichen Wohlfahrtsverbände sind in vielen Bereichen unserer Gesellschaft unverzichtbar – im Gesundheits- und Sozialbereich oder in der Beratung und der Seelsorge. Aber die Wohlfahrtsverbände sind nicht nur deshalb wichtig, weil sie einen Dienst an der Gesellschaft leisten und viele Menschen davon profitieren. Sie sind uns ganz grundsätzlich ein wichtiges Vorbild und zeigen, was es heißt, Verantwortung für unsere Mitmenschen zu übernehmen. Dadurch leisten sie einen ganz wesentlichen Beitrag für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.

Die Linke
Caritas und Diakonie sind unverzichtbar für unser Land. Wir wollen sie stärken. Kirchliche Wohlfahrtsverbände sollten aufgrund ihrer christlichen Bezogenheit eine Parteinahme als „Option für die Armen“ umzusetzen. Das gilt nicht nur für ihre PatientInnen, sondern vor allem auch für ihre eigenen Mitarbeitenden. Sie sollten sich für bessere Arbeitsbedingungen in ihren Einrichtungen und in ihrem Arbeitssektor einrichtungsübergreifend einzusetzen. Die kirchlichen Wohlfahrtverbände Caritas und Diakonie genießen in Deutschland außergewöhnliche arbeitsrechtliche Regelungen. Es handelt sich um Sonderarbeitsrechte, die sich in Begrifflichkeiten wie „Dienstgemeinschaft“ oder „Dritter Weg“ auf den Punkt bringen lassen. Sie stabilisieren bestehende Machtverhältnisse, die auf Kosten der Arbeitnehmerseite gehen. Wir setzen uns für eine Abschaffung der Sonderarbeitsrechte ein. Es sollte zugelassen werden, dass sich die eigenen Mitarbeitenden in Gewerkschaften organisieren und streiken dürfen. Caritas und Diakonie mit positiven Beispiel vorangehen. Ein Bemühen der Verbandsebene ist wichtig, Druck auf Politik auszuüben, um z. B. die katastrophalen Arbeitsbedingungen in den Altenpflegeheimen zu überwinden und für einen Rückgang der Privatisierung (Aktiengesellschaften) im Gesundheitssektor zu drängen.

FDP
Wohlfahrtverbände leisten im sozialen Bereich eine großartige und unverzichtbare Arbeit. Sie sorgen damit aktiv für den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Daraus wird deutlich, dass diese Arbeit weit mehr ist als nur die Realisierung von kommunalen Pflichtaufgaben. Auch in Zukunft sollen die Wohlfahrtsverbände unterstützt werden und angemessene Wertschätzung in der Gesellschaft und Politik finden.

SPD
Deutschland ist und bleibt ein sozialer Bundesstaat. Es gilt das Prinzip der Subsidiarität: Nur was die kleinere Einheit nicht leisten kann, übernimmt die größere. Wir bekennen uns zu diesem Prinzip, weil es der deutschen Tradition entspricht, Machtballung verhindert, Machtmissbrauch erschwert und demokratische Willensbildung auf allen Ebenen ermöglicht. Wohlfahrtsverbände sind für uns wichtige Partner, der Arbeiterwohlfahrt und dem Arbeiter-Samariter-Bund sind wir besonders verpflichtet. Der Staat trägt aber die Verantwortung dafür, dass Qualität und gleicher Zugang für alle gesichert sind.

7. Kirche und Gesellschaft: Was kann die Kirche zur Überwindung der gesellschaftlichen Spaltung tun?

Bündnis90/DieGrünen
Durch das soziale, gesellschaftliche und demokratische Engagement von Christen*innen, ebenso durch das Eintreten der Kirche für die gleiche Würde aller Menschen werden bereits viele wichtige Beiträge für den gesellschaftlichen Zusammenhalt geleistet. Ein wichtiger Impuls kann zudem der Dialog zwischen den verschiedenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sein. Dort können durch Kontakte und gegenseitiges Verstehen und Kennenlernen, Vorurteile abgebaut und Koalitionen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt gebildet werden. Er sollte weiterhin gestärkt und ausgebaut werden.

CDU
Die Kirche zeigt uns, dass Zusammenhalt Ausdruck von Verantwortung ist. Sie zeigt uns, wie wichtig es ist, aufeinander zuzugehen, einander zuzuhören, Argumente auszutauschen und andere einzubeziehen. Und sie zeigt uns, gemeinsam mit Geduld und Augenmaß nach Lösungen zu suchen. Das sind wichtige Voraussetzungen für das Funktionieren einer Gesellschaft, die aber vom Staat allein nicht garantiert werden können. Die Kirchen können dazu beitragen, dass diese Fähigkeit des Aufeinanderzugehens nicht verloren geht. Deshalb sind sie wichtig, um Spaltungen in unserer Gesellschaft zu überwinden.

Die Linke
Die Kirchen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sind politisch, aber nicht parteipolitisch gebunden, siehe die Antwort zur Frage 2. Darum ist es ihnen möglich, sehr viele Menschen zu erreichen und zusammenzuführen. Voraussetzung dafür ist ihr Engagement gegen die Positionen, die die Gesellschaft spalten, sein es in arm oder reich, jung oder alt, hier geboren oder nicht, Christin, Jude, Muslima oder säkular. In ihrer „Handreichung für die Diakonie für den Umgang mit dem Rechtspopulismus“ von 2018 etwa sehen wir uns mit ihnen solidarisch.

FDP
Die Kirche erfüllt eine bedeutsame Funktion in der Gesellschaft. Denn sie steht für Werte wie Nächstenliebe, Großzügigkeit und Nachsicht, für Respekt und Akzeptanz, für die Sorge für Mitwelt, Umwelt und Nachwelt. Das sind Werte, die in der heutigen Zeit wichtiger sind denn je, und ohne die die gesellschaftliche Spaltung nicht überwunden werden kann. Besonders begrüßen wir Initiativen des interreligiösen Dialogs und der Verständigung über gemeinsame Werte und Prioritäten.

SPD
Unsere Gesellschaft ist religiös vielfältig. Der Staat stellt sich nicht auf die Seite einer Religion, er sorgt für die freie Ausübung der Religionen. Wir verstehen Religionsfreiheit so als Freiheit zu Verantwortung: Jeder Glaube, auch christlicher, wird da konkret, wo er gelebt wird. Wenn Glaube in die Verantwortung für die Gemeinschaft ruft, bereichert er die Gesellschaft!
Christinnen und Christen leben Verantwortung vielerorts: in Initiativen, Gemeinden, Vereinen oder in der kritischen Begleitung der Politik. Wenn kirchliche Orte zu Orten der Begegnung werden, hilft das, Spaltung zu überwinden.

8. Kirche und Asyl: Wie beurteilen Sie das Kirchenasyl?

Bündnis90/DieGrünen
Das Engagement von Christ*innen für Schutzsuchende und die Gewährung eines Kirchenasyls sind wichtige Stützpfeiler für Geflüchtete und Schutzsuchende. Dies gilt es zu wahren und zu verteidigen. Es darf nicht sein, dass diese Handlung, die dem Prinzip der christlichen Nächstenliebe folgt, durch Strafandrohung des Staates verhindert wird. Das Kirchenasyl ist ein wichtiger Akt der Humanität und muss als besonderer Schutzraum für meist besonders gelagerte Einzelfälle bewahrt und gestärkt werden.

CDU
Seit seiner Entstehung im vierten Jahrhundert ist das Kirchenasyl Teil unserer christlich-humanitären Tradition. Auch als solches ist es aber ein Ausnahmefall und eine Ultima Ratio des Schutzes in besonderen Situationen. Grundsätzlich darf der Staat nicht aus der Pflicht genommen werden, die Würde des Menschen zu schützen. Wichtig ist uns als CDU und CSU ein regelmäßiger wechselseitiger Dialog zwischen kirchlichen und staatlichen Institutionen über den Umgang mit humanitären Härtefällen.

Die Linke
Menschen in existenzieller Not brauchen Hilfe. Ihnen Hilfe zu leisten, ist ein humanitäres Gebot. Wer ihnen Hilfe verweigert, verstößt gegen das Menschenrecht auf Asyl. Wer aus politischen Gründen verfolgt wird, wer um seine körperliche Unversehrtheit oder gar um sein Leben fürchten muss und sich auf der Flucht befindet, darf nicht ab- oder wieder ausgewiesen werden. Deshalb wurde im Grundgesetz, auch als eine Lehre aus der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands, das Grundrecht auf politisches Asyl geschaffen. Durch den Asylkompromiss aus dem Jahre 1992 wurde dieses Grundrecht seiner Substanz beraubt. Das wollen wir ändern. Auch die Verschärfungen des Asylrechts seit 2015 lehnen wir ab. Wir fordern faire Asylprüfungen und Integrationsmaßnahmen für alle Geflüchteten und sind gegen die Unterscheidung von Asylsuchenden nach angeblicher „Bleibeperspektive“. Auch abgelehnten Asylsuchenden und Geduldeten muss nach längerem Aufenthalt ein sicheres Bleiberecht gewährt werden. Deshalb schätzen und verteidigen wir das Kirchasyl, weil es Hilfe für Menschen in Not bietet, die die aktuellen rechtlichen Bedingungen nicht bieten.

FDP
Das Kirchenasyl entstammt den Anfängen des Christentums, in denen Fundamente des Rechtsstaates wie Grundrechtsschutz und Gewaltenteilung nicht im heutigen Maß gewährleistet waren. An und für sich tut das Kirchenasyl das, was auch fundamentale Aufgabe der Kirche ist: nämlich Menschen in Not zu helfen. „Kirchenasyl“ ist aber kein Asyl im Rechtssinne. Vielmehr wird darunter der faktische Schutz verstanden, den kirchliche Einrichtungen abgelehnten Asylbewerbern gewähren, um sie vor dem unmittelbaren Zugriff der Behörden und der Durchsetzung der Ausreisepflicht zu schützen. Ein solches Vorgehen ist unserer Rechtsordnung systemfremd. Es stellt die Hoheitsgewalt des Staates infrage, denn die aufenthaltsrechtlichen und -beendenden Entscheidungen obliegen einzig und allein dem Staat. Ein Verhindern von Abschiebungen ist letztlich die Vereitelung staatlicher Vollstreckungsmaßnahmen und kann deshalb staatsrechtlich sanktioniert werden.

SPD
Die SPD tritt für ein humanes Flüchtlingsrecht ein. Das Grundrecht auf Asyl muss dem Anspruch der Menschlichkeit und den Anforderungen des europäischen und internationalen Flüchtlingsschutzes genügen. Jeder Einzelfall zählt!
Es gibt Schutzsuchende, die sich in die Obhut der Kirche begeben und dort auf Menschen treffen, die nach der Prämisse der Nächstenliebe handeln. Hierbei kann es sich nicht um ein rechtsstaatliches Verfahren handeln, sondern um einen Akt der Menschlichkeit. Wir vertrauen den Kirchen, dass sie ihre Pforten mit viel Verantwortung öffnen. Zudem gehen wir davon aus, dass die Kirchen sich nicht gegen rechtsstaatliche Verfahren engagieren, sondern ihre Position positiv nutzen, um auf besondere Härten hinzuweisen. So verantwortungsvoll wahrgenommen darf es keine Kriminalisierung geben.

9. Zum Schluss: Wann waren Sie persönlich zuletzt in einem Gottesdienst? Was war Ihnen wichtig? Was haben Sie mitgenommen?

CDU
Diese Frage wird ad personam gestellt. Daher ist hierzu keine fachpolitische Antwort durch CDU und CSU möglich.

FDP
Das für Kirchen und Religionsgemeinschaften zuständiges Bundesvorstandsmitglied Dr. Christopher Gohl: Ich gehe in den Berliner Sitzungswochen in den Gottesdienst. In der Gemeinschaft der Glaubenden ist mir die Einkehr in den Frieden des Ruhetages und die Besinnung auf die Werte religiösen Lebens wichtig. Ich nehme in der Regel Ruhe und Kraft, Inspiration und Entschlossenheit mit – und manchmal auch gesunde Zweifel, ob wir in der Politik stets dem Frieden unter den Menschen dienen.

SPD
Olaf Scholz: Ich fühle mich durch die christliche Kultur und das christliche Menschenbild geprägt.

Bündnis90/Die Grünen und Die Linke gaben hier keine Antwort.