Bundespräsident warnt vor leichtfertiger Verurteilung Israels

Zum Jahrestag des Hamas-Terrorangriffs auf Israel kamen in Berlin Vertreter der Kirchen, des Judentums und der Politik zum Gedenken zusammen. Bundespräsident Steinmeier äußerte sich so entsetzt wie damals.

Mit einem Gottesdienst in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ist am Montag der Opfer des Terrorangriffs der islamistischen Hamas auf Israel vor einem Jahr gedacht worden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte laut Manuskript: “Wenn ich mich zurückerinnere an den 7. Oktober, dann bin ich heute so entsetzt und fassungslos wie damals.”

Weiter betonte er: “Ich wünsche mir ein Ende des Sterbens im Nahen Osten, aber ich warne vor einer leichtfertigen Verurteilung Israels.” Die öffentliche Debatte werde lauter und drängender, “weniger darüber, ob Israel ein Recht zur Selbstverteidigung hat, sondern darüber, wo die Grenzen jeden Rechts auf Selbstverteidigung liegen”. Deutschland stehe weiter an der Seite Israels. “Dennoch, wir spüren, dass im Krieg in Nahost diese Prinzipien, die uns leiten, auf eine schmerzhafte, auch widersprüchliche Realität stoßen.”

Steinmeier leitete daraus den Auftrag ab, “dass die Wirklichkeit eine andere, eine bessere werden muss. Eine Wirklichkeit, in der Israelis und Palästinenser friedlich neben- und miteinander leben können. Das wird nicht allein mit militärischen Mitteln gelingen. Das verlangt eine politische Perspektive für die Region. Und dazu werden wir unseren Beitrag leisten müssen.”

Weiter sagte Steinmeier mit Blick auf Deutschland: “Ich verstehe den Schmerz vieler. Aber so aufgewühlt wir auch sein mögen, wir dürfen darüber nicht unseren Kompass verlieren. Vor lauter Zerrissenheit dürfen wir nicht hinnehmen, was nicht hinnehmbar ist: Wenn Wohnungen von Juden markiert und beschmiert werden; wenn Brandsätze auf Synagogen fliegen; wenn jüdische Studierende an ihren Universitäten bedroht werden; wenn auf Demonstrationen ein Naher Osten ohne Israel gefordert wird – dann ist das Antisemitismus, dann ist das Judenhass. Das dürfen und das werden wir niemals dulden!”

Der 7. Oktober werde “immer zu jenen Tagen gehören, bei denen wir uns erinnern, wo und wann uns die Nachrichten des Grauens erreichten”, so der Bundespräsident. “Noch nie seit der Shoah sind an einem einzigen Tag so viele Jüdinnen und Juden ermordet worden.” Er sei darüber heute genauso entsetzt wie vor einem Jahr. Nach dem Gottesdienst war ein “Stiller Gedenkweg” zum jüdischen Gemeindehaus geplant, an dem sich das Gedenken fortsetzen sollte.

Am 7. Oktober 2023 hatten Terroristen der islamistischen Hamas zahlreiche israelische Orte, Kibbuze und Armeestützpunkte entlang der Grenze zum Gazastreifen angegriffen. Dabei wurden nach offiziellen israelischen Angaben mehr als 800 Zivilisten und rund 370 Soldaten getötet. Rund 250 Geiseln wurden in den Gazastreifen verschleppt. Bis heute befinden sich noch 101 tote und lebendige Geiseln in der Gewalt der Hamas. Am 8. Oktober erklärte Israel offiziell den Kriegszustand.