Bolsonaro drohen bis zu 28 Jahre Gefängnis in Brasilien

Der Fall gleicht einem Polit-Thriller: Brasiliens Ex-Präsident sowie weitere 36 Personen planten nach Meinung der Ermittler 2022 einen Putsch. Nun muss die Generalstaatsanwaltschaft über eine Anklage entscheiden.

Die Freude nach dem Wahlsieg seines politischen Idols Donald Trump in den USA währte für Brasiliens Ex-Präsident Jair Messias Bolsonaro nicht lange. Am Donnerstag übergab die Bundespolizei die 800 Seiten starken Ergebnisse ihrer Ermittlungen an das Oberste Gericht und die Staatsanwaltschaft. Das Ergebnis: Bolsonaro und Dutzende Militärs planten nach der verlorenen Präsidentschaftswahl im Oktober 2022 die Ermordung des gewählten Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva. Es könnte das Ende von Bolsonaros politischer Karriere sein.

Die Ermittler kamen in ihren fast zwei Jahre dauernden Ermittlungen zu dem Schluss, dass die 37 Personen drei Straftaten begangen haben: einen geplanten Staatsstreich, den gewaltsamen Angriff auf die demokratischen Institutionen und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Neben Bolsonaro sieht die Bundespolizei auch seinen ehemaligen Verteidigungsminister Walter Braga Netto, den ehemaligen Geheimdienstchef Alexandre Ramagem und den Chef seines Kabinetts für institutionelle Sicherheit, Augusto Heleno, als Beteiligte an dem Putschversuch.

Über den von der Bundespolizei eingereichten Antrag auf Anklageerhebung muss nun die Generalstaatsanwaltschaft entscheiden. Hierbei geht es auch darum, ob Bolsonaro in Untersuchungshaft genommen werden soll oder nicht. Am Donnerstag wurde in brasilianischen Medien diskutiert, ob eine Verhaftung des Rechtspopulisten angebracht wäre, um zu verhindern, dass er Beweise verschwinden lassen oder auf Zeugen Einfluss nehmen kann.

Generalstaatsanwalt Paulo Gonet ist jedoch bisher durch eine äußerst vorsichtige Vorgehensweise aufgefallen. Längst hätte er Bolsonaro wegen zweier weiterer Verfahren anklagen können – zum einen wegen der Fälschung eines Corona-Impfausweises sowie des illegalen Verkaufs von Schmuckstücken, die dem brasilianischen Staat gehören. Doch offenbar wartete er, bis robustere Beweise gegen Bolsonaro vorliegen. Nun wird spekuliert, dass alle drei Fälle gleichzeitig vor Gericht kommen könnten.

Das zaghafte Vorgehen der Justiz gegen Bolsonaro liegt auch an den schlechten Erfahrungen, die man in den Prozessen um den 2014 aufgedeckten Korruptionsskandal “Lava Jato” (Waschstraße) gemacht hat. Dutzende Unternehmer und Politiker waren im Zuge des Skandals verurteilt worden, darunter der damalige Ex-Präsident Lula da Silva, der rund eineinhalb Jahre im Gefängnis saß. Allerdings wurden die meisten Urteile aufgehoben, nachdem illegale Absprachen zwischen den Ermittlern und den Richtern ans Licht kamen. Der Skandal um die heimlichen Kontakte bedeutete praktisch das Ende der Anti-Korruptionsbemühungen der brasilianischen Justiz.

Diese hatte sich bisher darauf beschränkt, Ex-Präsident Bolsonaro wegen Falschinformationen über Brasiliens Wahlsystem bis 2030 von weiteren Kandidaturen auszuschließen. Auch für die Unruhen des 8. Januar 2023, als Hunderte seiner Anhänger das Regierungsviertel der Hauptstadt Brasilia verwüsteten, wurde Bolsonaro nicht zur Rechenschaft gezogen. Er hatte sich einige Tage zuvor ins US-amerikanische Florida abgesetzt und jedwede Beteiligung bestritten.

Doch nun haben die Ermittler offenbar genug Beweise gegen den Ex-Militär. So sollen enge Vertraute des damaligen Präsidenten im November 2022 die Putschpläne entworfen haben, um die Machtübernahme durch Lula da Silva zu verhindern. Den Ermittlungen zufolge sollten Mitte Dezember jenes Jahres Lula, sein Vize Geraldo Alckmin sowie der Oberste Richter Alexandre de Moraes ermordet werden. Im Anschluss sollte das Militär die Macht übernehmen.

Besonders Richter Moraes war für Bolsonaro stets ein Dorn im Auge. Schon während Bolsonaros Präsidentschaft führte der Oberste Richter Ermittlungen gegen ihn durch, und auch jetzt dürfte er eine wichtige Rolle bei einem eventuellen Prozess gegen den Ex-Präsidenten spielen. In einer ersten Stellungnahme kritisierte Bolsonaro den Richter, der auch die Prozesse gegen die Personen führt, die im Januar 2023 das Regierungsviertel stürmten. Er könne keinen fairen Prozess erwarten, solange Moraes die Fäden in der Hand habe, so Bolsonaro.

Noch bis vor wenigen Tagen hatte der Ex-Präsident gehofft, für sich und seine an den Unruhen des Januar 2023 beteiligten Anhänger eine Amnestie erwirken zu können. Eine entsprechende Gesetzesinitiative liegt zur Debatte im Kongress. Doch nachdem einer seiner Anhänger vor einigen Tagen versuchte, eine Bombe im Obersten Gerichtshof zu deponieren, rückten selbst ihm nahe stehende Abgeordnete von der Initiative ab.

Nachdem nun die Attentatspläne gegen Lula, Alckmin und Moraes publik geworden sind, dürfte die Amnestie komplett vom Tisch sein. Und damit Bolsonaros Hoffnung, bei den Präsidentschaftswahlen 2026 doch noch antreten zu dürfen.

Stattdessen drohen Bolsonaro lange Haftstrafen. Der gewaltsame Angriff auf die demokratischen Institutionen wird mit vier bis acht Jahren bestraft, die Planung eines Staatsstreichs mit vier bis 12 Jahren sowie die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung mit drei bis acht Jahren. Die Höchststrafen summieren sich damit auf 28 Jahre.