Bischof Wiesemann sieht Epochenwechsel und warnt vor AfD

Wer die Auffassungen der AfD teilt, kann in der Kirche keine Verantwortung übernehmen, sagt Bischof Wiesemann. Dem stehe das christliche Menschenbild entgegen. Die Welt sieht er im epochalen Umbruch hin zu mehr Krisen.

Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann sieht die Welt in einem Epochenwechsel. Dieser epochale Umbruch bringe „wahnsinnige Herausforderungen“ für Gesellschaft und Kirche mit sich, sagte Wiesemann am Donnerstag vor Journalisten in Speyer. Die Nachkriegsepoche sei von einer Überwindung des Nationalismus, von Versöhnungsideen und dem Aufbau großer weltweiter Institutionen geprägt gewesen. Nun zeigten sich große, krisenhafte Umbrüche. Machtzentren stellten sich gegeneinander. Die Folge seien „gewaltige Unruhen in vielerlei Hinsicht“, sagte der Bischof, der wegen einer Corona-Infektion zur Pressekonferenz digital zugeschaltet war.

Angesichts der Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine, des Klimawandels sowie wirtschaftlicher Not und deren sozialen Folgen müsse Kirche „ein Segensort inmitten der Welt sein“, sagte Wiesemann. „In einer Zeit, in der auch unser Miteinander in Staat und Gesellschaft von manchen immer unverhohlener angegriffen wird, ist es umso wichtiger, dass wir als Kirche aus der einenden und versöhnenden Kraft des Glaubens heraus den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern.“

Der Bischof positionierte sich auch zur AfD. Deren „ausländerfeindliche, antidemokratische und nationalistische Grundhaltung“ sei mit dem christlichen Menschenbild und der Vorstellung einer freiheitlichen, demokratisch rechtsstaatlichen und sozialen Gesellschaft unvereinbar. „Wer die Überzeugungen dieser Partei teilt, kann aus meiner Sicht in der Kirche keine Verantwortung übernehmen“, sagte Wiesemann.

Mit Blick auf innerkirchliche Reformbemühungen sagte Wiesemann, die Weltbischofssynode in Rom habe deutlich gezeigt, welche „Weiterentwicklungen“ der katholischen Lehre und welche „konkreten Reformen“ notwendig seien. „Dazu gehören die Suche nach Formen echter Mitberatung und Mitentscheidung aller Gläubigen, eine deutliche Aufwertung der Rolle der Frau, einschließlich eines vertieften Nachdenkens über die Öffnung der Weiheämter für Frauen, sowie das Bemühen um eine veränderte Sexualmoral“, sagte Wiesemann.

Die vom Vatikan im Dezember veröffentlichte Erlaubnis für Segnungen homosexueller und unverheirateter Paare habe „die Türen der Kirche doch etwas geöffnet“, so Wiesemann. Er hoffe, dass die nun erneuerte pastorale Praxis „auch zu einer Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre führt“.

Es sei zudem die Frage, „ob es bei den großen Fragen, die wir haben, nicht richtig wäre, wieder ein Konzil einzuberufen“, sagte Wiesemann. Dabei gehe es nicht nur um die Sexualmoral, sondern etwa auch um die „immer noch offene Frage“ eines möglichen Diakonats der Frau.

Mit Blick auf die Missbrauchsaufarbeitung wies Generalvikar Markus Magin darauf hin, dass die Unabhängige Aufarbeitungskommission im März 2023 das Forschungsprojekt „Sexueller Missbrauch im Bistum Speyer durch katholische Priester, Diakone, Ordensangehörige und Mitarbeitende des Bistums (ab 1946)“ in Auftrag gegeben hatte. Es wird an der Universität Mannheim von der Historikerin Sylvia Schraut geleitet. „Die Forschenden sind seitdem mit hoher Intensität daran, die Akten zu sichten und Gespräche zu führen“, hieß es. Ein erster Zwischenstandbericht des auf vier Jahre angelegten Projekts werde im Frühjahr 2025 erwartet. Eine etwaige Schmerzensgeldklage eines Betroffenen – wie es sie zum Beispiel gegen das Erzbistum Köln gegeben hat – sei gegen das Bistum Speyer derzeit nicht anhängig.