Bischöfin Fehrs zu Missbrauch: Wichtig ist, zu Fehlern zu stehen

Der Missbrauchsskandal beschäftigt die evangelische Kirche. Bischöfin Kirsten Fehrs äußert sich zur Aufarbeitung. Warum sie nicht automatisch Rücktritte fordert und welche Maßnahmen sie für eine bessere Zukunft plant.

Fehler im Umgang mit Missbrauchsfällen müssen nach Ansicht der evangelischen Bischöfin Kirsten Fehrs nicht zwangsläufig zum Rücktritt von leitenden Geistlichen führen. Natürlich müssten Leitungspersonen persönlich Verantwortung für ihr Handeln übernehmen, sagte die kommissarische Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Das müsse aber nicht automatisch einen Rücktritt nach sich ziehen. „Wichtig ist, zu seinen Fehlern zu stehen und es künftig besser zu machen“, so die Hamburger Bischöfin.

Ende Januar hatten unabhängige Forscher die erste bundesweite Missbrauchsstudie für EKD und Diakonie präsentiert. Darin stellen sie den Institutionen im Umgang mit Missbrauchsfällen ein schlechtes Zeugnis aus. Ein Betroffenensprecher hatte daraufhin gefordert, Kirchenleitende müssten persönlich Verantwortung übernehmen.

Fehrs erklärte, es komme auf den Einzelfall an. „Es ist ein Unterschied, ob jemand etwa einen Täter geschützt hat – mit der Gefahr, dass dieser weiter aktiv ist. Oder ob jemand im Gespräch mit einem betroffenen Menschen unsensibel reagierte.“

Auf die Frage, ob der Rücktritt der früheren EKD-Ratsvorsitzenden Annette Kurschus gerechtfertigt oder überstürzt war, antwortete Fehrs: „Ich bedauere den Rücktritt von Annette Kurschus nach wie vor. Der Fall ist allerdings noch nicht abschließend bewertet.“ Kurschus war im November vergangenen Jahres als Ratsvorsitzende und Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen zurückgetreten. Sie reagierte damit auf Vorwürfe, mit einem mutmaßlichen Missbrauchsfall falsch umgegangen zu sein. Fehrs hatte anschließend das Amt der Ratsvorsitzenden übergangsweise übernommen.

Die Landeskirche von Westfalen habe eine unabhängige Aufarbeitung des Falls beschlossen, so die Bischöfin. Diese werde nach Abschluss der staatsanwaltlichen Ermittlungen beginnen.

Bei der Aufarbeitung von Missbrauch stehen die evangelischen Kirchen laut Fehrs auch im Austausch mit der katholischen. „Wir sind schon lange im ökumenischen Gespräch auch über sexualisierte Gewalt.“ So sei das Design für die evangelische Studie etwa im Wissen um die 2018 vorgestellte Studie für die katholische Kirche ausgewählt worden. Bischöfe beider Konfessionen hätten sich auch darüber ausgetauscht, wie sie das Thema sexualisierte Gewalt gesamtgesellschaftlich stark machen könnten. „Wir halten daher auch an unserem Vorhaben fest, eine Dunkelfeldstudie auf den Weg bringen und dabei mit vielen Institutionen zusammenwirken.“

Konsequenzen aus der Missbrauchsstudie werden der Ratsvorsitzenden zufolge nun gemeinsam mit Betroffenenvertretern im sogenannten Beteiligungsforum der EKD erarbeitet. Einige Maßnahmen seien dort schon vor Veröffentlichung der Studie angegangen worden. „Wir sind bereits dabei, Disziplinarverfahren betroffenenorientierter zu gestalten. Auch eine digitale Plattform, auf der sich Betroffene miteinander vernetzen können, ist in Vorbereitung.“

Darüber hinaus versuche das Gremium, die Standards für Prävention und Intervention weiterzuentwickeln und zu vereinheitlichen. „Beispielsweise müssen Betroffene überall gleich behandelt werden und vergleichbare Anerkennungsleistungen erhalten.“ Ziel seien einheitliche Standards für alle 20 Landeskirchen. Diese und andere Maßnahmen sollen Fehrs zufolge auf der nächsten EKD-Synode im November verabschiedet werden.