Bertold Höcker: CSD 2023 und Kirchenreform statt Fusionen

Beim Christopher Street Day 2023 wird auch wieder ein Wagen der Kirchen dabei sein. Bertold Höcker als scheidender Superintendent in Berlin-Mitte hat großen Anteil, dass das so ist.

queere Fahne vor Parochialkirche Berlin
queere Fahne vor Parochialkirche BerlinSabine Hoffmann

Den 13. Gottesdienst zum Christopher-Street-Day (CSD) feiern wir am Vorabend, am 21. Juli, um 18 Uhr in der St. Marienkirche in Berlin-Mitte. Fand er zunächst nur als rein christlicher Gottesdienst statt, begehen wir ihn seit sieben Jahren in multireligiöser Gastfreundschaft.

Und seit 2018 fahren wir auch unter dem Motto „Liebe tut der Seele gut“ mit eigenem Wagen auf der Parade mit. Wir zeigen damit, dass wir dort mit der Verkündigung sichtbar sind, wo Menschen sich lieben und Liebe weitergeben. Gleichzeitig setzen wir in der Stadt ein Zeichen, dass wir uns gegen alle Entwicklungen stemmen, bei denen Menschen ihre Würde abgesprochen wird.

Homophobie auf dem Vormarsch

International ist Homophobie auf dem Vormarsch, wie allein die Strafverschärfung bis hin zur Todesstrafe für gleichgeschlechtliche Handlungen in vielen Ländern zeigt. Etliche Kirchen in der Welt unterstützen leider dieses Vorgehen. Umso wichtiger ist es, dass wir als liberale Kirche ein anderes Signal senden. Der Kirchenkreis Stadtmitte leistete hier gemeinsam mit anderen

Wagen auf Christopher Street Day
Wagen auf Christopher Street Dayepd / Christiane Stock

Kirchenkreisen Pionierarbeit, die evangelische Verkündigung auch unter der queeren Community sichtbar werden zu lassen. Höhepunkt der Entwicklung war die Predigt von Bischof Christian Stäblein im CSD Gottesdienst 2021 und die darauffolgende Erklärung der Landeskirche zur Schuld an queeren Menschen. Wo evangelische Verkündigung ist, muss es um Toleranz, Respekt und friedliches Miteinander gehen.

Kirchenreform auch an strukturellen Fundamenten

Wir haben viel erreicht, weil wir gegen die Angst Gestaltungsfreude auf der Basis des Evangeliums gesetzt haben und nicht auf unsere Angst gehört haben. Ich wünschte mir, dass wir mit dem eben genannten Vorgehen auch eine Kirchenreform angingen. Ich erlebe besonders in Kirchengemeinden zurzeit viel Angst. Diese gründet sich in immer schneller steigenden Zahlen von Kirchenaustritten, in den Einsichten, dass die Arbeit schon lange nicht mehr bewältigt werden kann. Die bürokratischen Anforderungen sind so hoch, dass sie kaum umgesetzt werden können. Ehrenamtsgremien fühlen sich überfordert durch die Verantwortung, die sie gar nicht richtig wahrnehmen können. Das alles führt zu einem gefühlten Bedeutungsverlust der Evangelischen Kirche. Die genannten Ängste verursachen eine weitgehende Verweigerung von strukturellen Reformen. Fusionen von Kirchengemeinden geschehen fast nur noch unter großem Druck und kosten viel Zeit. Eine Reform ist das nicht, sondern eine notwendige Anpassung, eine Anpassung ohne Gestaltungsfreude.

Landeskirche hat Strukturen, wie ein Großkonzern, ist aber ein mittelständiges Unternehmen

Wir haben noch die Organisationsstrukturen eines Großkonzerns, sind aber nur noch ein mittelständiges Unternehmen. Ändern wir nichts, müssen wir am Ende Kirchen abgegeben. Dann werden nur noch Kirchengemeinden handlungsfähig sein, die aus ihrer Geschichte Vermögen haben. Auch der innerkirchliche Finanzausgleich wird dann den meisten nicht mehr helfen. Kirchliche Orte mit Profil Eine Reform könnte dadurch gelingen, in kirchlichen Orten zu denken und nicht mehr in zuständigen Kirchengemeinden. Kirchliche Orte sind natürlich Kirchen, aber auch Gemeindehäuser, evangelische Schulen und Kitas, Diakoniestationen und viele mehr. Dazu müsste aber Macht anders verteilt und das Ziel Konsens sein, die Kirchen zu erhalten und sich primär um die evangelische Verkündigung an allen kirchlichen Orten zu kümmern. Ein weiterer Vorteil wäre, dass die Mitarbeitenden gezielt nach Neigungen eingesetzt werden könnten. Nicht alle können alles. Im Pfarrdienst stellt das jedoch noch immer das Ideal dar. Viel besser wäre es doch, die, die gut mit Kindern und Jugendlichen können, machen das an einem kirchlichen Ort für alle anderen. Die, die anderes besser können, machen das an einem anderen Ort.

Profilierte kirchliche Orte als Anziehungspunkte

Das führte Schritt für Schritt zu profilierten kirchlichen Orten. Diese könnten dann kompetent verweisen auf Angebote, die sie selbst nicht machen, aber woanders auffindbar wären. Damit bildeten sie eine Vielfalt ab, die gerade in der Stadt der gesellschaftlichen Vielfalt entspräche. Um ein solches Konzept in einer Region oder in einem Kirchenkreis umzusetzen, brauchte es Diskussionsprozesse, in denen ausgehandelt wird, wie diese Reform umgesetzt werden kann. Nicht alle werden mitwollen, aber die Vielen, die dann neu kommen, weil sie Gestaltungsmöglichkeiten statt ermüdender Gremiensitzungen erwarten dürfen, werden alles wettmachen. Dann würde nicht mehr das Bestehende festgehalten werden. Neuaufbrüche an kirchlichen Orten erschlössen neues kirchliches Leben, wie es auch durch die veränderte Haltung gegenüber queeren Lebensformen bereits erfolgreich war.

Bertold Höcker ist  scheidender Superintendent des Kirchenkreises Berlin-Stadtmitte

Termin der Verabschiedung Betold Höckers und CSD 2023

Beim Gottesdienst in der St. Marienkirche Berlin-Mitte am Freitag, den 21. Juli, 18 Uhr wird Superintendent Höcker aus seinem Amt verabschiedet. Mit dabei sind Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein und Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner.

Am Sonnabend, den 22. Juli, ist die Evangelische Kirche mit einem eigenen Truck (Wagen 6) unter dem Motto „Liebe tut der Seele gut“ auf dem CSD Berlin Pride dabei.

Start der Parade zum Christopher Street Day am 22. Juli ist in Berlin-Mitte in der Leipziger Straße ab 12 Uhr.