Bernhard Vogel: AfD-Wähler zurückgewinnen – Aussage zu Ramelow

Er war insgesamt 23 Jahre Ministerpräsident – in Rheinland-Pfalz und Thüringen. Bernhard Vogel (91) stellte nun seine Autobiografie vor und sprach über AfD, Linke, Kirche und Helmut Kohl, mit dessen Enkel er diskutierte.

Er ist der einzige deutsche Politiker, der Ministerpräsident in zwei Bundesländern war: von 1976 bis 1988 in Rheinland-Pfalz und – nach der Wiedervereinigung – von 1992 bis 2003 in Thüringen. Bernhard Vogel hat die Politik in Deutschland über Jahrzehnte mitgeprägt. Doch bei der Vorstellung seiner Autobiografie “Erst das Land: Mein Leben als Politiker in West und Ost” (Verlag Herder) in seiner Wahlheimat Speyer zeigte sich Vogel trotz seiner 91 Jahre nicht als Mann von gestern. Die Stimme nach wie vor fest und kräftig, gab der CDU-Politiker Empfehlungen zum Umgang mit der AfD in Thüringen.

Vogel mahnte die etablierten Parteien dazu, AfD-Wähler zurückzugewinnen. “Es darf nicht darum gehen, sich den inhaltlichen Aussagen der AfD anzunähern”, sagte er am Dienstagabend in Speyer. “Es muss darum gehen, die Wähler, die die demokratischen Parteien der Mitte an die AfD verloren haben, zurückzugewinnen.” Vogel betonte: “Die meisten Wähler der AfD wählen die AfD nicht wegen ihres Programms, sondern aus Zorn oder aus Verärgerung über die anderen Parteien.” Das Motto müsse also lauten: “Nicht Brandmauer, sondern Rückgewinnung verlorener Wähler”, sagte Vogel, der die AfD in seinem Buch als “nationalistisch, rückwärtsgewandt, geschichtsvergessen” charakterisiert.

Vogel äußerte sich in der Podiumsdiskussion dann auch dazu, dass in einer Rezension seines Buches in der “Süddeutschen Zeitung” der Vorwurf erhoben werde, er sehe im thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) eine Gefahr für die Demokratie und vernachlässige die Gefahr durch AfD-Landeschef Björn Höcke.

Vogel sagte dazu: “Natürlich ist Ramelow gefährlicher als die AfD, weil Ramelow Ministerpräsident ist. Das ist doch logisch, dass man darauf zunächst einmal achtet.” Ramelow sei zwar Ministerpräsident einer Minderheitsregierung – “aber immerhin!”

Der CDU-Politiker schreibt in seinem Buch, seine eigenen und Ramelows politische Vorstellungen “könnten unterschiedlicher kaum sein”, eine Zusammenarbeit mit der Linken dürfe für die CDU nicht in Frage kommen.

Ramelow reagierte am Mittwoch auf Vogels Vorwürfe: “Ich würde, so ich ihn treffe, weiter freundlich grüßen. Leider ist er im Kalten Krieg stecken geblieben, aber mit mir wird weder ein Herr Höcke an die Macht kommen, noch würde ich mit der AfD Mehrheiten erzielen wollen”, sagte er der “Bild”-Zeitung (Mittwoch online) und fügte hinzu: “Ich bleibe bei meiner Haltung und kämpfe nicht gegen demokratische Parteien, aber gegen die Verharmlosung des Faschismus. Meine Hand bleibt für alle Demokraten ausgestreckt.”

Der überzeugte Christ Vogel war von 1972 bis 1976 auch Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). In seinem Buch weist er darauf hin, dass das Votum der fünf Jahrzehnte zurückliegenden Würzburger Synode, Frauen zum Diakonat zuzulassen, bis heute “auf die Verwirklichung” warte. Diese Gemeinsame Synode der Bistümer in Westdeutschland sollte die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) umsetzen. Erst kürzlich hatte Papst Franziskus sich ablehnend zur Weihe von Frauen geäußert.

Der Katholik Vogel schreibt in seinem Buch über acht Päpste, die er erlebt hat. Bei Franziskus sieht er ein ambivalentes Verhalten: “Er ermutigt die regionalen Bischofskonferenzen zu selbstständigen Entscheidungen, kritisiert diese aber gleichwohl. Er rügt die vatikanischen Behörden heftig und öffentlich und versucht sie zu reformieren. Er kündigt viel an, aber entscheidet wenig.”

Die Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung hatte zu dem Podiumsgespräch im Historischen Ratssaal von Speyer eingeladen. Mit Vogel diskutierte das kürzlich gekürte CDU-Bundesvorstandsmitglied Johannes Volkmann (27). Er ist ein Enkel von Altkanzler Helmut Kohl (1930-2017). Vogel sagte, von Kohl habe er viel gelernt. Mit ihm sei er über 60 Jahre hinweg eng und freundschaftlich verbunden gewesen.

Am Ende des Abends gab es eine Art Ritterschlag des altgedienten CDU-Politikers für den jungen. Der hatte gesagt, dass für ihn – 1996 geboren – die Unterscheidung in alte und neue Bundesländer überholt sei. “Für mich gab es immer nur ein Deutschland”, so Volkmann. “Ihr Großvater würde sich freuen, wenn er Sie heute hier gehört hätte”, sagte Vogel.