Berliner Tafel – die Retter der Lebensmittel feiern Jubiläum

Vor 30 Jahren gründete eine Fraueninitiative in Berlin die erste Tafel für bedürftige Menschen in Deutschland. Ein Blick in die Geschichte einer Einrichtung, die Schule gemacht hat.

Seit 30 Jahren sind Lebensmittel der Berliner Tafel gefragt (Archiv)
Seit 30 Jahren sind Lebensmittel der Berliner Tafel gefragt (Archiv)Imago / epd

Es ist eine Idee, die vor allem durch ihre Einfachheit besticht: Unternehmen produzieren Überschüsse, bei sozial Bedürftigen fehlt es am Monatsende oft am Notwendigsten. Warum also nicht einfach überflüssige Lebensmittel an sie verteilen? Anfang der 1990er Jahre setzte eine Berliner Fraueninitiative diese Idee um: Das war die Geburtsstunde der ersten Tafel. Als Vorbild dienten ähnliche Projekte in New York. Eine der Gründerinnen war die Berlinerin Sabine Werth, die den Verein heute ehrenamtlich leitet und mehrfach für ihr Engagement ausgezeichnet wurde. In diesen Tagen wird die erste Tafel 30 Jahre alt.

Die Tafel-Zentrale ist auf dem Berliner Großmarktgelände in der Moabiter Beusselstraße. Dort stehen die Fahrzeuge der Tafel, und außer in den vielen Ausgabestellen kommen auch dort noch viele Lebensmittel an. Auch Werth – inzwischen 65 Jahre – ist dort noch häufig anzutreffen.

Einwandfrei und genießbar

Oberstes Kriterium für die Auslieferung der Lebensmittel: Sie müssen noch einwandfrei genießbar sein. Überdies sind Alkohol und Tabak tabu, so steht es auf der Homepage des Bundesverbandes der Tafeln. Auch wer die Hilfe der Tafel in Anspruch nimmt, hat Bedingungen zu erfüllen. Klienten müssen ihre Bedürftigkeit belegen und Nachweise für Sozialleistungen vorzeigen.

Allein in der Hauptstadt unterstützen die Ausgabestellen der Tafel mehrere 10.000 Menschen pro Woche mit Lebensmitteln. Dabei fing alles ganz klein an: Nach einem Vortrag über Obdachlosigkeit in Berlin wollte eine Fraueninitiative etwas Konkretes tun: Sie holten Lebensmittel ab, die etwa nach einer Feier übrig geblieben waren, und gaben sie zunächst nur an obdachlose Menschen weiter.

Im Juli 2004 schaute Bundespräsident Hors Köhler vorbei
Im Juli 2004 schaute Bundespräsident Hors Köhler vorbeiImago / Eventpress

Das war 1993, wenige Jahre nach der Wiedervereinigung. Offizieller Gründungstag ist der 21. Februar. Andere Städte kopierten das Modell, Mitte der 1990 Jahre entstand unter Werths Initiative der Bundesverband der Tafeln mit Sitz in Berlin. Nach wie vor finanzieren sie sich nur über Mitgliedsbeiträge und Spenden. Inzwischen helfen sie rund zwei Millionen Menschen in Deutschland – Tendenz steigend, nicht zuletzt wegen der steigenden Zahl von Flüchtlingen.

Auch unter Prominenten ist das Engagement der bundesweit rund 60.000 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer der Tafel bekannt. Zuletzt war es der Sänger Herbert Grönemeyer, der trotz gewonnener Wette bei der Fernsehshow „Wetten, dass“ erklärte, für einen Monat die Betriebs- und Unterhaltskosten der Berliner Tafel zu übernehmen. Laut Werth ein „guter, rund fünfstelliger Betrag“. Für die Tafel besonders wegen der steigenden Energiekosten eine wichtige finanzielle Hilfe.

Kirchengemeinden eingebunden

Über das Projekt Laib und Seele sind seit langem auch Berliner Kirchengemeinden eingebunden. Inzwischen teilen Ehrenamtliche in fast 50 Berliner Kirchengemeinden Lebensmittel aus. In diesen Tagen kommen die Helfer und Helferinnen kaum noch nach, weil die Schlangen an den Ausgabestellen so lang geworden sind.

Werth hat zusammen mit anderen in den vergangenen Jahren immer wieder neue Konzepte verwirklicht: Inzwischen kann man in einigen Supermarkt- und Discounter-Ketten an Pfandautomaten für die Tafel spenden. Für Kinder veranstaltet der Tafel-Verein Aktionen zum gesunden Essen. Ihre jüngster Idee: Auf dem Alten Sankt-Matthäus-Friedhof in Berlin-Schöneberg erwarb die Tafel eine gemeinschaftliche Grabstätte für ihre ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die sich keine eigene leisten können. Sie sollen auf dem Friedhof ihre letzte Ruhestätte finden, anstatt „lieblos und anonym irgendwo am Stadtrand“ beigesetzt zu werden, so die evangelische Christin.