Beauftragte Claus lobt Studiengang zu Missbrauchsprävention

Oft wird die katholische Kirche mit sexuellem Missbrauch in Verbindung gebracht. Eine Reaktion ist ein Studiengang in Rom, der sich mit Prävention befasst. Die deutsche Missbrauchsbeauftragte Claus hat ihn besucht.

Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, hat für eine wissenschaftlich fundierte und politisch abgesicherte Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt geworben. Als europaweit einzige nationale Beauftragte für Missbrauchsfragen traf sie in Rom am Donnerstag in der deutschen Botschaft am Heiligen Stuhl mit Botschaftern aus anderen EU-Ländern zusammen. Dabei stellte sie ihr Amt und ihre politische Rolle vor und warb für analoge Strukturen in den EU-Mitgliedstaaten und auf europäischer Ebene.

Der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte Claus, dass der in Deutschland nach 2010 eingeschlagene Weg mit unabhängigen, aber politisch abgesicherten Institutionen auch in anderen Ländern auf großes Interesse stoße. Als Beispiele nannte sie ihr Amt, die Aufarbeitungskommission und den Betroffenenrat.

Ferner besuchte Claus in Rom das von dem Jesuiten Hans Zollner geleitete Institut für Anthropologie. Es ist der Päpstlichen Universität Gregoriana angegliedert und bietet neben Fortbildungsprogrammen zur Prävention und Aufarbeitung von Missbrauch auch einen kompletten Studiengang unter dem Namen „Interdisciplinary Studies on Human Dignity and Care“ (Fächerübergreifender Studiengang zu menschlicher Würde und Sorge) an; er kann mit einem Lizenziat abgeschlossen werden. Claus lobte den Studiengang im KNA-Gespräch als vorbildlich; Rom sei in dieser Hinsicht weltweit Pionier.

Die Bundesbeauftragte erklärte, ein wissenschaftliches Herangehen an das Thema Missbrauch sei in mehrfacher Hinsicht wichtig. So könnten durch ähnliche Studiengänge, wie sie in Rom seit 2016 angeboten werden, auch in Deutschland Fachkräfte qualitätsgesichert ausgebildet werden. Solche gut ausgebildeten Fachkräfte könnten auf regionaler Ebene als „Kompetenz-Anker“ fungieren und Kinderschutz für alle Bereiche der Kinder- und Jugendarbeit stärken. Dies sei gerade bei dem häufig verdrängten Thema Missbrauch dringend erforderlich.

„Hilflosigkeit und Überforderung führen immer wieder zu einem Wegschieben des Themas“, betonte Claus. In Deutschland gebe es keine vergleichbaren Studiengänge, auch nicht im kirchlichen Bereich. Für sie sei es aktuell ein Fokus, deutsche Hochschulen, die den Studiengang Soziale Arbeit lehren, dafür zu gewinnen, verpflichtend Module zum Kinderschutz anzubieten und hierin auch das Thema sexuelle Gewalt zu verankern.

Der Kinder- und Jugendpsychiater und Psychotherapeut Jörg Fegert vom Universitätsklinikum Ulm, der regelmäßig mit der Arbeitsgruppe an der Gregoriana zusammenarbeitet, betonte, die Zeit sei gekommen, nicht Einzelfälle zu skandalisieren, sondern sich dem gesellschaftlichen Ausmaß der Problematik zu stellen. Am häufigsten finde sexueller Missbrauch in der Familie und im familiären Nahfeld statt.

Befrage man Erwachsene nach Erfahrungen in ihrer Kindheit, sprächen etwa sieben Prozent davon, als Minderjährige Formen sexualisierter Gewalt mit direktem Körperkontakt erlebt zu haben. Die Häufigkeit von Traumata durch Missbrauch hätten somit ein ähnliches Ausmaß wie Volkskrankheiten. Die Prävention und Bekämpfung von Missbrauch ebenso wie Krankenbehandlungsangebote bei schweren Traumafolgen müssten dieser Dimension gerecht werden.