Bayerns Grenzpolizei: Zahnloser Tiger oder Vorbild für andere?

Laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sollen seit dem 16. September „smarte“ Grenzkontrollen an den deutschen Außengrenzen für weniger illegale Einreisen sorgen. Den Unions-Parteien ist das zu wenig. Auch aus Bayern kommt Kritik. Die CSU-geführte Staatsregierung will Zurückweisungen an den Grenzen, deren Zulässigkeit aber rechtlich und politisch umstritten sind. Vor allem die CSU verweist gerne auf die Erfolge der Bayerischen Grenzpolizei beim Vorgehen gegen Schleuser und illegale Migranten. Aber was macht die Grenzpolizei eigentlich genau, und welche Kompetenzen hat sie wirklich?

SEIT WANN GIBT ES DIE BAYERISCHE GRENZPOLIZEI?

Die Geschichte der Bayerischen Grenzpolizei reicht bis ins Jahr 1946 zurück – neben der Bereitschafts- und der Landespolizei war sie die dritte Säule der bayerischen Polizeikräfte. 1998 wurde sie abgeschafft, denn mit der Errichtung des freien Waren- und Personenverkehrs in den Ländern des Schengen-Abkommens wurde sie so nicht mehr gebraucht. Im Sommer 2018 wurde sie auf Betreiben der CSU-geführten Staatsregierung wieder ins Leben gerufen – um die Zahl der unerlaubten Einreisen zu senken. Von Anfang an war die Kritik laut. Nicht nur die Landtagsopposition, auch Polizeigewerkschafter bezweifelten seither deren Sinn und Zweck.

WAS KOSTET DEN FREISTAAT DIE GRENZPOLIZEI UND WAS BEKOMMT ER DAFÜR?

Aus dem Haushalt der Staatsregierung sind die Kosten für die Grenzpolizei nur schwer herauszulesen. Nach Angaben des Innenministeriums kostete die Grenzpolizei im Jahr 2020 rund 2,9 Millionen Euro – die gesamte Landespolizei insgesamt 537 Millionen Euro. Neuere Zahlen findet man nicht. Aktuell arbeiten dort mehr als 900 Beamtinnen und Beamte, bis 2028 soll ihre Zahl auf rund 1.500 wachsen. Im laufenden Jahr haben die bayerischen Grenzpolizisten von Januar bis Ende August 1.387 illegale Einreisen festgestellt. 2023 waren es im Vergleichszeitraum 1.764 illegale Einreisen. Zudem wurden 104 Schleuser festgenommen (2023: 160).

WELCHE AUFGABEN ÜBERNIMMT DIE BAYERISCHE GRENZPOLIZEI?

Die Bayerische Grenzpolizei überwacht „in enger Abstimmung“ mit der Bundespolizei das Grenzgebiet entlang der bayerischen Außengrenzen zu Österreich und Tschechien, wie das bayerische Innenministerium dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage mitteilte: Sie führe in enger Abstimmung mit der Bundespolizei „intensive Maßnahmen“ etwa in Form von Schleierfahndungen „sowie auf Anforderung oder mit Zustimmung der Bundespolizei“ eigene stationäre Grenzkontrollen durch. Schon an der Wortwahl des Ministeriums sieht man: Eine eigenständige Sicherung der Landgrenzen ist der Bayerischen Grenzpolizei gar nicht erlaubt.

GIBT ES AUCH EIGENSTÄNDIGE AUFGABENBEREICHE DER BAYERISCHEN GRENZPOLIZEI?

Ja, aber nur sehr wenige. Die Bayerische Grenzpolizei kontrolliert „den grenzüberschreitenden Verkehr an den Luftgrenzen in Bayern“, wie das bayerische Innenministerium auf epd-Anfrage mitteilte. Dazu gehört auch der Personenverkehr an den beiden Flughäfen Nürnberg und Memmingen. Am Münchner Airport hingegen ist die Bundespolizei für den Grenzschutz verantwortlich. Auch im grenzüberschreitenden Bahnverkehr ist nicht die Bayerische Grenzpolizei, sondern die Bundespolizei verantwortlich. Auch dieser Umstand der überschaubaren Zuständigkeiten sorgt seit 2018 dafür, dass Kritiker die Bayerische Grenzpolizei für überflüssig halten.

DIE CSU FORDERT ZURÜCKWEISUNGEN AN DER GRENZE – DARF DIE GRENZPOLIZEI DAS?

Ganz grundsätzlich ist umstritten, ob Zurückweisungen an den europäischen Binnengrenzen überhaupt mit EU-Recht vereinbar sind. Auch deshalb wurden etwaige Forderungen aus Deutschland schon von Politikern aus den angrenzenden Nachbarländern wie Österreich teils scharf zurückgewiesen. „Einreiseverhindernde Maßnahmen an der Landesgrenze erfolgen stets durch die Bundespolizei“, so das Innenministerium. Ist die Bayerische Grenzpolizei also ein zahnloser Tiger? „Gemäß der Absprachen“ würden aufgegriffene Personen, bei denen etwa eine Zurückweisung in Betracht komme, „unverzüglich an die Bundespolizei übergeben“.

WIE BEWERTET DAS INNENMINISTERIUM DIE ZUSAMMENARBEIT DER BEIDEN POLIZEIBEHÖRDEN?

„Hervorragend“ sei die Zusammenarbeit zwischen den bayerischen Polizeibehörden insgesamt und der Bundespolizei, erläutert das bayerische Innenministerium auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd). Das schließe ausdrücklich die Kooperation der Grenzpolizei mit der Bundespolizei ein. Die Absprache erfolge über die Bundespolizeidirektion München oder die jeweiligen Bundespolizeiinspektionen mit den Bayerischen Grenzpolizeidienststellen vor Ort. „Stationäre Grenzkontrollen“ würden „lageangepasst jeweils immer aufgrund aktueller polizeilicher Erkenntnisse durchgeführt“, betonte das Innenministerium.

WAS SAGEN EIGENTLICH BUND UND BUNDESPOLIZEI ZU DER BAYERISCHEN GRENZPOLIZEI?

Als die bayerische Grenzpolizei im Sommer 2018 reaktiviert wurde, war Markus Söder (CSU) gerade erst wenige Monate bayerischer Ministerpräsident – sein direkter Amtsvorgänger Horst Seehofer (CSU) inzwischen Bundesinnenminister. Die Wiedererrichtung der Grenzpolizei wurde im politischen Berlin damals deswegen natürlich begrüßt, schließlich war sie ein von der CSU vorangetriebenes Projekt. Die Bundespolizei selbst will sich auf epd-Anfrage nicht äußern und verweist auf das Bundesinnenministerium. Das schreibt, Bundes- und Bayerische Polizei würden „insbesondere im grenzpolizeilichen Bereich“ eng zusammenarbeiten. (00/2798/23.09.2024)