Bauernproteste in Deutschland gehen weiter

Viel Solidarität gibt es derzeit für die bundesweiten Bauernproteste. Ethiker bewerten die Straßenblockaden durch Traktoren jedoch als überzogen – und ziehen Vergleiche zu den „Klimaklebern“.

Voraussichtlich noch die ganze Woche wird es an vielen Orten in Deutschland zu Protestaktionen von Landwirtinnen und Landwirte kommen. Vielerorts blockierte Trecker Verkehrswege, oft auch Autobahnauffahrten. Zum überwiegenden Teil sind die Protestaktionen angemeldet und damit legitim. Nur in wenigen Ausnahmefällen wurden nach Polizeiangaben bislang nicht angemeldete Blockaden aufgelöst.

Entzündet hatten sich die Demos an einer angekündigten Streichung von Subventionen für den Agrardiesel. Bislang erhielten Landwirte eine Vergütung von 21,,48 Cent pro Liter. Im Zuge der notwendigen Sparmaßnahmen wollte die Bundesregierung diese sofort einstellen. Nach einer ersten Protestwelle im Dezember hatte sich Berlin zwar zunächst kompromissbereit gezeigt und die sofortigen Streichungen zurückgenommen. Ein neuer Kabinettsbeschluss am Montagabend legte aber – inmitten der Proteste – eine schrittweise Kürzung fest; ab 2026 soll es demnach keine Subventionen mehr geben.

Auf die Fortführung der Proteste wird diese neuerliche Entscheidung kaum Einfluss haben; sie waren ohnehin für die gesamte Woche vorgesehen. Denn – so heißt es aus dem Kreis der Landwirtschaftsverbände – die Subventionsdebatte war nur das Ventil für grundsätzliche Probleme.

Tatsächlich erhielten die Landwirtinnen und Landwirte von politischer Seite auch Zuspruch und Unterstützung. Mit Manuela Schwesig äußerte eine SPD-Ministerpräsidentin Verständnis für die Proteste. „Die Sparvorschläge betreffen vor allem den ländlichen Raum und das ist wirklich falsch“, sagte Schwesig am Montagabend im „Brennpunkt“ der ARD. „Es ist wichtig, dass die Leute Planungssicherheit haben, dass man ihnen nicht finanzielle Grundlagen über Nacht entzieht und dass man vor allem miteinander redet.“

Die Regierungschefin von Mecklenburg-Vorpommern greift damit zentrale Punkte vieler Bauernverbände auf. „Wir wissen nicht, wofür wir in Zukunft noch Förderungen erhalten und welche Auflagen wir erfüllen müssen“, so Anastasia Kühn, Sprecherin der jungen Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Gerade junge Landwirtinnen und Landwirte seien durch die verfehlte Agrarpolitik der vergangenen Jahre verunsichert; es sei viel Wut und Zorn entstanden, so Kühn. „Das in Form der Proteste auszudrücken, ist unser gutes Recht.“

Ethiker geben den Bauern zwar in vielen Punkten Recht. Bei den nun stattfindenden Straßenblockaden sehen sie hingegen die Verhältnismäßigkeit nicht mehr gegeben. Eine solche „sehr radikalisierte Form des Protestes“ halte er für „deutlich unangemessen und für weit überzogen, auch angesichts eines im Vergleich zu anderen europäischen Ländern grundsätzlich konsensorientierten Wirtschaftsmodells in Deutschland“, sagte der Sozialethiker Peter Schallenberg der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Letztlich müsse der Konflikt in der politischen Debatte gelöst werden, meint der Direktor der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle (KSZ) in Mönchengladbach. „Argumente und sodann Abstimmung sollen siegen, nicht die Macht von Traktoren oder Lastwagen.“

Auch der Tübinger Sozialethiker Matthias Möhring-Hesse bezeichnet die Straßenblockaden als „erpresserische Formen des Protestes“. Landwirtinnen und Landwirte wählten damit „ähnliche und ähnlich undemokratische Mittel“ wie die Klimaaktivisten der „Letzten Generation“. Allerdings, so Möhring-Hesse, aus ganz gegensätzlichen Gründen: „die einen, um klimapolitische Barrieren zu überwinden und eine nachhaltige Entwicklung anzustoßen, und die anderen, um klimapolitische Barrieren zu setzen und die beschleunigte Entwicklung in Richtung einer nachhaltigen Landwirtschaft zu verhindern“.

Als kritisch bewertet der Ethiker in diesem Zusammenhang, dass einige politische Akteure, die die Blockaden der „Letzten Generation“ verurteilt hatten, nun gegenüber den Landwirtinnen und Landwirten „mehr als Verständnis, nämlich große Freunde zeigen“. In der Wählergunst könne daraus zwar Profit gezogen werden, „gleichwohl ist es für die politische Kultur im Land schädlich und politisch verlogen“, betonte Möhring-Hesse.