Barfuß bekundete Solidarität

Pfarrer Berthold Keunecke aus Nordrhein-Westfalen geht seit einem halben Jahr barfuß. Für ihn ist dies ein Zeichen der Solidarität mit allen, die unter dem Ukrainekrieg leiden – trotz kalter Füße.

Berthold Keunecke ist nur barfuß unterwegs – als Zeichen gegen den Krieg
Berthold Keunecke ist nur barfuß unterwegs – als Zeichen gegen den KriegMaximilian Wiescher

Das nasskalte Wetter im Dezember hindert Pfarrer Berthold Keunecke nicht daran, barfuß über den Fliesenboden der Herforder Markuskirche zu gehen. Ende Mai, kurz nach Himmelfahrt, hat er angefangen, bei jedem Wetter auf Socken und Schuhe zu verzichten.

Auslöser für die Idee waren Gespräche mit anderen Mitgliedern des ökumenischen Internationalen Versöhnungsbundes. Sofern er gesund bleibt, will er sich seine Schuhe erst wieder anziehen, wenn in der Ukraine die Waffen schweigen. Es ist sein Zeichen gegen den Krieg, wie er erklärt: „So ein Akt der Buße ist ein Zeichen für mich und für andere, dass etwas nicht in Ordnung ist. Damit fühle ich mich noch mehr mit den Menschen in der Ukraine verbunden. Es hilft denen zwar nicht direkt, aber es ist ein Ausweg aus meiner Ohnmacht.“

Großer Zuspruch aus der Gemeinde

Vor allem bei Regen und Schneeregen erlebt er zwar, dass er sich nur sehr kurz draußen aufhalten kann. Wenn er lange in einem kühlen Raum sitzt, schiebt er seine Füße in eine Tragetasche, in der eine Wolldecke steckt. Probleme mit Hundekot oder kleinen Glassplittern an den Füßen hatte er schon mal, aber damit lässt sich umgehen, wie er meint. Sich einen Fuß an einer noch nicht erloschenen Zigarettenkippe verbrannt hat er dagegen noch nie. Gesundheitliche Probleme hat ihm sein Barfußlaufen bisher nicht bereitet: „Ich habe das Gefühl, dass ich gesünder bin als letztes Jahr um diese Zeit. Ich esse zurzeit auch viele Vitamine. Aber wenn ich merke, dass die Aktion meiner Gesundheit ernsthaft schadet, dann höre ich auf.“

Aus der Gemeinde und seinem Bekanntenkreis erfährt er viel Zuspruch: „Leute haben Respekt vor dieser Haltung. Ich erlebe in Gesprächen, dass viel mehr Menschen den Krieg ablehnen, als die Politik oft glaubt.“ Zum Hintergrund seiner Aktion erzählt er: „Ich habe mich mit dem Krieg sehr beschäftigt, mir ging es schlecht dabei. Ich habe den Gedanken der Buße mit mir herumgetragen und mich an das alte Symbol des Barfußlaufens erinnert.“ Als mögliches Vorbild nennt er Franz von Assisi (1181 – 1226), für den das Barfußlaufen Zeichen seiner freiwilligen Armut war. „Allerdings lebte der in Italien, da fiel ihm das vielleicht nicht so schwer wie hier. Auf jeden Fall hat er keine eigene Macht eingesetzt.“

Kritik an Kirche und Politik

Das Zeichen, das der 61-Jährige damit setzt, versteht er besonders als Kritik an seiner Kirche und an der Politik: „Ich habe lange gesehen, wie sich der Ost-West-Konflikt aufschaukelt. Das fing mit dem Kosovokrieg 1998 an. Der war klar völkerrechtswidrig. Ich habe das nie richtig aufgearbeitet.“ Auch die Konferenz Europäischer Kirchen hatte seit ihrer ökumenischen Versammlung 1989 in Basel immer wieder ein gemeinsames Haus Europa und gemeinsame Sicherheit gefordert. „Das hätten die Kirchen immer wieder sagen müssen.“

Keunecke, der auch Friedensbeauftragter seines Kirchenkreises ist, unterstützte auch Hilfsaktionen wie Materialtransporte in die Ukraine. Als er einmal ein Friedensgebet gestaltet hatte, bekam er einen Brief mit der Kritik, dass seine Einstellung zu gewaltlos wäre und Putin in die Hände spielen würde. „Es wäre besser gewesen, wenn der Westen der Ukraine keine Waffen geliefert hätte“, meint er. „Auch Waffen aus dem Westen machen viel kaputt. Ein rein ziviler Widerstand unter einer ukrainischen Exilregierung hätte viele Leben gerettet. Putin wollte ja nicht möglichst viele ukrainische Zivilisten umbringen, sondern einen Regierungswechsel in Kiew erreichen, so wie die USA in Afghanistan und im Irak.“

Angst vor der Eskalation bis zum Atomkrieg

Keunecke stimmt der Ansicht zu, die in der Diskussion um die Kriegsursachen weit verbreitet ist: Der Krieg ist eine zwar keinesfalls zu rechtfertigende, aber vorhersehbare Reaktion Russlands auf die letzten Osterweiterungen der NATO. „Zurzeit läuft die Spirale der Gewalt geradewegs auf den Atomkrieg zu.“