Auschwitz-Komitee-Vize lobt „The Zone of Interest“

Als einen in der gegenwärtigen politischen Landschaft „unendlich wichtigen Film“ hat der Geschäftsführende Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees (IAK), Christoph Heubner, „The Zone of Interest“ über den Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß und seine Familie bezeichnet. Wenige Tage vor dem Kino-Start in Deutschland am 29. Februar sagte Heubner dem Evangelischen Pressedienst (epd), der Film zeige schonungslos, in welche Abgründe die Ideologie des Faschismus führe, „die zurzeit vielen wieder attraktiv erscheint zur Lösung ihrer Probleme“.

„The Zone of Interest“ von Regisseur Jonathan Glazer handelt von dem scheinbar normalen Privat- und Familienleben von Rudolf und Hedwig Höß (Christian Friedel und Sandra Hüller), das sich unmittelbar angrenzend an das Konzentrations- und Vernichtungslager abspielt und die Taten, die Höß dort befiehlt, vollkommen ausblendet. „Der Film wird es den Deutschen nicht leicht machen, denn sie müssen sich damit konfrontieren, wie viele Menschen als Teil der Ideologie funktioniert haben und ihre Taten und die Erinnerungen daran danach abgeschüttelt haben wie ein Hund das Wasser im Fell“, sagte Heubner.

In Auschwitz wurden zwischen 1940 und Januar 1945 etwa eineinhalb Millionen Menschen, die meisten Jüdinnen und Juden, im Gas getötet, zu medizinischen Versuchen missbraucht oder in Zwangsarbeit gefoltert. Die Taten sind im oscarnominierten Film nur über Geräusche präsent. „Es wird eine bürgerlich-entsetzliche Idylle gezeigt“, sagte Heubner. Sie führe vor, wie leicht Menschen in „falsch verstandener Vaterlandsliebe“ ihre eigenen Verbrechen ausblenden könnten. Höß werde zwar immerhin dabei gezeigt, wie er das Lager organisiert. Für Opfer würden nur Chiffren genannt. „Wenn es um Leichen geht, die abtransportiert werden, ist von ‚Ladungen‘ die Rede.“

Zuschauerinnen und Zuschauer müssten selbst aus ihrem Wissen ergänzen, was jenseits des idyllischen Gartens der Familie Höß geschieht. „Gerade Deutsche können sich dem nicht entziehen, ohne zu fragen, was in den eigenen Familien geschehen ist“, findet der IAK-Vizepräsident, der seit 40 Jahren regelmäßig Jugendgruppen bei Besuchen und der Arbeit zur Instandsetzung der Gedenkstätte des KZ Auschwitz begleitet. „Dieser Film entlässt uns aus der Bequemlichkeit des Denkens, wir hätten uns als Deutsche schon genug mit der Geschichte befasst.“

In jüngerer Zeit hätten Beobachter wie der Publizist Michel Friedman angemahnt, dass Deutsche es sich zu leicht machten, wenn sie sich mit den Opfern identifizierten. Notwendig sei es vielmehr, die Täter und ihre Haltung kennenzulernen. „Die Zuschauer werden sich selbst gegenüber Rechenschaft darüber ablegen müssen, was sie wissen, was sie wissen wollen und was sie ausblenden“, betonte Heubner.

Die Verbrechen von Auschwitz seien jenseits menschlicher Vorstellungskraft. Das sei auch vielen der Häftlinge zum Verhängnis geworden. „Sie konnten sich einfach nicht vorstellen, dass das geschieht, dass sie alle im Gas umgebracht und danach verbrannt werden würden“, sagte Heubner, der viele Überlebende betreut und zu Gerichtsprozessen oder Zeitzeugengesprächen begleitet hat. Immerhin habe die Parallele der Veranstaltung rechtsextremer Eliten in Potsdam zu vergleichbarer Konspiration in der NS-Zeit endlich viele Menschen zum Protest auf die Straße gebracht.