Auf der Suche nach der Gesellschaft der Zukunft

Der 103. Deutsche Katholikentag ist Gast im Kernland der Reformation: In der Lutherstadt Erfurt werden vom 29. Mai bis 2. Juni rund 20.000 Teilnehmende erwartet. Das Leitwort „Zukunft hat der Mensch des Friedens“ soll Christen Mut machen, inmitten aller Krisen und Konflikte die Hoffnung nicht zu verlieren. Der Katholikentag macht in seiner mehr als 170-jährigen Geschichte erstmals in Thüringens Landeshauptstadt Station.

Erfurt ist ein Symbol für gelebte Ökumene: Hier verbindet sich eine reiche katholische Vergangenheit mit den Anfängen der evangelischen Reformation. Der spätere Reformator Martin Luther (1483-1546) begann hier sein Studium und wurde nach einer Lebenskrise Augustinermönch. Das Augustinerkloster in Erfurt gehört heute zu den bedeutendsten Lutherstätten in Deutschland. Papst Benedikt XVI. war im Jahr 2011 auf seiner letzten Deutschlandreise hier zu Gast – und lobte dabei auch Luther.

Zum Eröffnungsgottesdienst am Abend des 29. Mai wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erwartet. Aus dem politischen Berlin haben sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, Außenministerin Annalena Baerbock und Vizekanzler Robert Habeck sowie Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) angekündigt. Erwartet werden zudem Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) sowie Ex-Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU).

Die Wahl zum Europäischen Parlament am 9. Juni soll eine wichtige Rolle beim Europatag des Katholikentags einnehmen. Man will nach Wegen für eine „zukunftsfähige Gesellschaft“ suchen – vor allem mit Blick auf die zahlreichen Kriege, Klimawandel, Artensterben, soziale Spaltungen und Krisen in Politik und Kirche. Aus aktuellem Anlass werden Podien zum Konflikt in Israel und Gaza sowie zum Thema „Demokratischer Frieden in Zeiten des Populismus“ angeboten.

„Unsere Haltung heißt: Frieden braucht mehr als die Abwesenheit von Krieg. Frieden braucht Menschen, die sich täglich darum bemühen, dass Gewalt, Ausgrenzung, Hass und Hetze keinen Platz haben in der Welt“, sagte die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, bei der Programmvorstellung im März.

Insgesamt sind laut Katholikentag rund 500 Veranstaltungen im Programm: Neben innerkirchlichen Themen wie dem Missbrauchsskandal auch über 80 mit einem ausgewiesenen Bezug zu Thüringen, zur Geschichte der deutsch-deutschen Einigung und zu den Erfahrungen von Christinnen und Christen in der DDR und während der Friedlichen Revolution.

Dennoch gab es gerade um das Thema ostdeutsche Interessen bei der Planung für den Katholikentag Streit. Erfurts ehemaliger Oberbürgermeister Manfred Ruge (CDU) hatte öffentlich kritisiert, ostdeutsche Themen und Protagonisten seien im Programm unterrepräsentiert. Er hatte sich vom Vorsitz des Trägervereins zurückgezogen. Nachfolger ist Jan Helge Kestel, Präsident der Rechtsanwaltskammer Thüringen.

In Erfurt bilden Christen eine Minderheit, räumte der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr ein, dessen Bistum Gastgeber des Katholikentags ist: „Deswegen ist es uns wichtig, den Dialog mit allen Menschen zu suchen.“ Es soll sechs größere und kleinere Bühnen in der Stadt geben sowie rund
150 Kulturveranstaltungen mit Musik, Theater, Tanz, Kabarett und vielem mehr. Die großen Gottesdienste des Katholikentags finden am Donnerstag, Freitag und zum Abschluss am Sonntag statt.

Alle zwei Jahre veranstaltet das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) einen Katholikentag jeweils in einem anderen Bistum. Man wechselt sich dabei mit evangelischen Kirchentagen ab. Der 102. Deutsche Katholikentag fand im Mai 2022 in Stuttgart mit rund 27.000 Teilnehmenden statt. Der 104. Deutsche Katholikentag ist vom 13. bis 17. Mai 2026 in Würzburg geplant. Davor wird der 39. Deutsche Evangelische Kirchentag (DEKT) vom 30. April bis zum 4. Mai 2025 in Hannover ausgerichtet.