Atommüll: Lemke verkündet Aus für Bereitstellungslager in Würgassen

Die Bundesregierung gibt die Pläne für ein zentrales Bereitstellungslager für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll komplett auf. Das im westfälischen Beverungen-Würgassen (Kreis Höxter) vorgesehene Logistikzentrum lasse sich nicht mehr rechtzeitig realisieren, um die Abfälle aus ganz Deutschland zügiger in das Endlager Schacht Konrad im niedersächsischen Salzgitter befördern zu können, sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) am Dienstag in Berlin, wie das Ministerium mitteilte. Das Projekt solle auch nicht anderswo entstehen, das Endlager stattdessen dezentral beliefert werden.

Aufgrund „zu vieler rechtlicher und planerischer Risiken“ lasse sich das Vorhaben weder rechtzeitig noch wirtschaftlich umsetzen, erklärte das Ministerium. Ein Bereitstellungslager hätte nur dann den nötigen Beschleunigungseffekt gehabt, wenn es nicht erst Jahre nach Inbetriebnahme des Endlagers fertiggestellt werde. Bis Ende dieses Jahres hätte demnach in Würgassen für einen zweistelligen Millionenbetrag ein Grundstück erworben werden müssen. Daher habe man jetzt entschieden, das Projekt zu beenden und eine „wahrscheinliche Fehlinvestition“ von rund zwei Milliarden Euro zu vermeiden.

Für das Endlager Konrad bedeute dies, dass es nun länger in Betrieb sein werde, betonte Ministerin Lemke. Die Transporte dorthin aus Atommüll-Zwischenlagern im ganzen Land würden „unsere Gesellschaft über Jahrzehnte belasten“. Es sei gut, dass infolge des Atomausstiegs keine weiteren radioaktiven Abfälle aus Atomkraftwerken mehr produziert würden, sagte die Ministerin. Das Atommüll-Problem sei bereits „groß genug“ und müsse „mit aller Kraft“ gelöst werden.

Die Entscheidung gegen ein Logistikzentrum ist den Angaben zufolge Ergebnis „intensiver Prüfungen“ des Bundesumweltministeriums und des Austauschs mit den beteiligten Bundesländern. Am Dienstagmorgen hatte die NRW-Landesregierung ihre Ablehnung des Projekts öffentlich gemacht. Weder die Standortauswahl noch die Notwendigkeit des Vorhabens seien durch den Bund bisher angemessen begründet worden, erklärte das NRW-Arbeitsministerium in Düsseldorf.

Die Bundesgesellschaft für Zwischenlager (BGZ) hatte das Bereitstellungslager auf dem Gelände des 1997 stillgelegten Atomkraftwerks Würgassen geplant. Rund 300.000 Kubikmeter Atommüll sollten hier ab 2027 aufgenommen und später in das Endlager Schacht Konrad weitertransportiert werden.

Die BGZ habe es versäumt, andere Optionen als Würgassen auszuloten, kritisierte das NRW-Arbeitsministerium. Ein vorausschauendes Konzept des Bundes für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle fehle. Die Standortauswahl sei nicht transparent gewesen und habe damit nicht die Erwartungen der NRW-Landesregierung erfüllt. Der TÜV Nord hatte bereits 2022 in einem von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen in Auftrag gegebenen Gutachten die Notwendigkeit eines Bereitstellungslagers generell verneint.

Gegen die 2020 überraschend bekannt gewordenen Pläne für das Atommüll-Lager hatte sich unter anderem die Bürgerinitiative „Atomfreies 3-Ländereck“ gewehrt. Die Standortentscheidung sei unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgt und Vorgaben der Entsorgungskommission des Bundes seien missachtet worden. In und um Würgassen fehle es an überregionalen Verkehrsanbindungen, der Standort an der Weser im Dreiländereck von NRW, Niedersachsen und Hessen sei durch Hochwasser bedroht, so die Atomgegner.