Asylkompromiss spaltet die Gemüter

Die Einigung der EU-Innenminister auf eine Verschärfung des Asylrechts stößt auf gemischte Reaktionen. Das Bündnis Seebrücke zeigt sich entsetzt, Politiker loben den Beschluss.

Imago / Christian Ohde
Imago / Christian OhdeKünftig soll es an den EU-Außengrenzen Schnellverfahren geben

Der Asylkompromiss der EU-Innenminister stößt auf Lob, aber auch auf scharfe Kritik. Das zivilgesellschaftliche Bündnis Seebrücke sprach von einer „menschenfeindlichen Reform des europäischen Asylsystems“. Es handele sich um die „schärfsten Asylreformen seit Jahrzehnten“. Hingegen lobte der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, den Asylkompromiss. „Wenn es uns gelingt, eine europäische Rechtslage zu schaffen, die wirklich funktioniert, dann werden die Zahlen (der Flüchtlinge) deutlich zurückgehen“, sagte er im Bayerischen Rundfunk.

Für jeden, der versuche, illegal nach Europa zu kommen, sei künftig „an der Außengrenze Schluss“, sagte Weber. Es werde Schnellverfahren und schnelle Rückführungen geben. Damit seien aber nicht alle Probleme gelöst. Nötig seien auch Lösungen mit den Nachbarländern. „Wir brauchen jetzt für diesen Sommer ein Abkommen mit Tunesien, damit wir die Zahlen in den Griff kriegen“, erklärte der bayerische EU-Politiker. Das Grundprinzip „Wir wollen helfen“ stehe außer Frage, betonte Weber. Er forderte indes, zwischen wirklich Verfolgten und Menschen ohne Bleibegrund zu unterscheiden.

„Perspektive geschaffen“

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sagte, der Kompromiss sei „überfällig, um zu verhindern, dass es wieder zu Zuständen an den EU-Außengrenzen wie in Moria kommt und dass Europa auseinanderfliegt“. Er schaffe eine Perspektive, das unsägliche Leid an den EU-Außengrenzen zu beenden. Der Kompromiss sei nicht einfach gewesen, und die Bundesregierung hätte gerne eine weniger restriktive Regelung gehabt: „Aber zur Ehrlichkeit gehört auch: Wer meint, dieser Kompromiss ist nicht akzeptabel, der nimmt für die Zukunft in Kauf, dass niemand mehr verteilt wird.“

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte: „Eine Nichteinigung hätte zur Handlungsunfähigkeit der EU in diesen belasteten Zeiten und bei diesem schwierigen Thema geführt.“

Verfahren schon an der Außengrenze

Die EU-Innenminister hatten sich in Luxemburg nach langen Verhandlungen auf eine Verschärfung des Asylrechts verständigt. Die Vorschlage zur Reform des europäischen Asylsystems (GEAS) sollen die Zahl der Asylbewerber mit geringen Bleibechancen reduzieren und Abschiebungen vereinfachen. Daneben soll ein Solidaritätsmechanismus eine fairere Verteilung von Schutzsuchenden innerhalb der EU ermöglichen. „Uns ist eine historische Entscheidung gelungen“, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Anschluss an die Verhandlungen in Luxemburg.

Ein zentraler Punkt der umfassenden Reformpläne ist die Einführung von Grenzverfahren an der EU-Außengrenze. Diese sollen den Asylverfahren vorgeschaltet werden. Dabei wird zunächst formal geprüft, ob Schutzsuchende einen Asylantrag stellen dürfen. Laut EU-Kommission sollen Menschen nur im Notfall inhaftiert werden. Migrationsexperten halten indes haftähnliche Bedingungen für realistisch.

„Menschenfeindliche Reform“

„Es macht uns fassungslos, dass die deutsche Innenministerin diese menschenfeindliche Reform des europäischen Asylsystems als historisch und solidarisch bezeichnet“, erklärte Maria Sonnek vom Bündnis Seebrücke. „Die Folgen sind klar: Die Entmenschlichung an den europäischen Außengrenzen wird zur neuen Rechtsform Europas erklärt“, kritisierte Sonnek. Das zivilgesellschaftliche Bündnis Seebrücke setzt sich für Seenotrettung, für sichere Fluchtwege und für die dauerhafte Aufnahme von geflüchteten Menschen in Deutschland ein.

Scharfe Kritik kam unter anderem vom Leiter der Europaabteilung von Pro Asyl, Karl Kopp. Beim Redaktionsnetzwerk Deutschland sprach er von einem historischen Fehler: „Die Ampel nimmt in Kauf, dass Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit ausverkauft werden.“ Sie habe keine rote Linie durchgesetzt und alles akzeptiert.