ARD-Doku sucht nach Gründen für mangelnden Einsatz für das Klima

Über vier Jahrzehnte hat Klima-Experte Mojib Latif geforscht, erklärt und gewarnt – eine ARD-Dokumentation mit ihm zeigt auf, warum Wissenschaft und auch Klima-Proteste trotzdem scheitern.

Stattliche 37 Jahre ist es her, dass das Hamburger Politmagazin „Der Spiegel“ eine erste Titelgeschichte zum Klimaschutz brachte. Nicht erst seither treibt der Kernsatz, dass Wissen zu Handeln führt, viele Forschende an. Entscheidungen in der Politik und bei Einzelnen hängen demnach von gesicherten Informationen ab. Genauso dachte auch der Klimaforscher und Meteorologe Mojib Latif. Doch nach vier Jahrzehnten wissenschaftlicher Arbeit muss er nüchtern feststellen: „Zumindest in meinem Fachgebiet hat sich dieser Grundsatz als falsch herausgestellt.“

Warum nur? In der Dokumentation „ARD Wissen: Drama Klimaschutz“ findet einer der wichtigsten Klimawissenschaftler des Landes Gründe dafür und zeigt, wie Klima-Fakten kommuniziert werden müssen, damit sie nicht verpuffen. Das Erste zeigt sie am 4. Dezember ab 22.50 Uhr.

Als Latif – Präsident der Akademie der Wissenschaften Hamburg und Forscher an der Kieler Universität – zusammen mit dem Hamburger Dokumentarfilmer Tom Ockers vor 13 Jahren für ein Doku-Projekt gemeinsam in der Arktis war, dachten Wissenschaftler und Journalist nach eigenem Bekunden noch, dass die Welt das Problem Klimawandel vielleicht in den Griff bekommen könnte. Vor rund einem Jahr erinnerten beide sich daran bei einem ziemlich erfolglosen Klimagipfel. Latif war – und ist – sehr selbstkritisch und fragte sich, wieso all das Wissen, das nicht zuletzt permanent von ihm selbst geliefert wurde, so wenig bewirken konnte. „Als diese Frage einmal ausgesprochen war, stand dieser Film fest“, sagt Ockers.

Die sehenswerte Dreiviertelstunde spannt einen weiten Bogen über die Jahre im „Kampf“ gegen den Klimawandel. Gleich zu Beginn trifft Mojib Latif (69) im Sommer 2023 in Berlin zum Gespräch die Klima-Aktivistin Lea Bonasera (27), Sprecherin der Protest-Aktion „Letzte Generation“. Diese Begegnung hat Ockers beeindruckt – und schafft es ebenfalls im Film.

Besonders ist auch, als Latif in Lübtheen in Mecklenburg-Vorpommern steht, mitten in einem Waldbrandgebiet im Landkreis Ludwigslust-Parchim. Unzählige verkohlte Bäume ragen leblos wie Zahnstocher aus der aschigen Erde – eine Drohnen-Aufnahme verdeutlicht das Ausmaß der Feuerkatastrophe vom vergangenen Sommer. Fassungslos stellt der Forscher fest: „So etwas habe ich noch nie gesehen. Unfassbar!“ Es ist das eingetreten, wovor der Experte immer gewarnt hatte: Die menschgemachte Erderwärmung sorgt für immer mehr Extremwetter; mehr Hitze, mehr Hochwasser, mehr Stürme, mehr Brände.

In seiner Zeitreise für die Doku erinnert Latif sich auch an die Anfänge der Klimaforschung und sagt: „Statt auf uns zu hören, wurden von den Profiteuren mit Millionensummen Lobby-Organisationen gegründet, die unsere Arbeit mit Lügen und Falschmeldungen in Frage stellten.“ Mit dem „Erfolg“, dass der CO2-Ausstoß weltweit nur halbherzig reduziert wurde. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin geht davon aus, „dass wir in einer ganz anderen Welt wären, wenn die fossilen Lobbyisten nicht ihre Schandtaten betrieben hätten.“

Im Verlauf der Dokumentation wird deutlich, warum die wissenschaftliche Aufklärungsarbeit bei aller Eindeutigkeit nicht zu ausreichendem Klimaschutz geführt hat. Aufgezeigt wird auch, welche Hürden dafür noch genommen werden müssen – nicht nur wirtschaftliche und politische, sondern vor allem menschliche, von denen die Wissenschaft inzwischen aber besser versteht, wie man sie überwinden könnte.

Obwohl der Schlusssatz „Klimaschutz muss Spaß machen!“ von Mojib Latif in der Doku eine Message sein kann, mahnt Tom Ockers, man solle damit als Filmemacher vorsichtig sein. Er sehe es vielmehr als seine Aufgabe, den Menschen eine Perspektive auf ein Thema anzubieten. Das könnten harte investigative Fakten sein oder auch schlicht ein anderer Blick, Informationen, überraschende Ansichten, spannende Menschen. Ockers sagt: „Aus diesem Mix kann sich dann jeder seine Meinung bilden. Wenn wir das erreichen, ist das eine richtig gute Doku.“