Arbeitsfrei am Zuckerfest?

Die von Thomas de Maizière kürzlich angestoßene Debatte hat zum Teil heftige Reaktionen ausgelöst. Vertreter der beiden großen Kirchen äußern sich zurückhaltend

© epd-bild / Jörn Neumann

Der Urheber der Diskussion hat inzwischen zwar seine Aussage ins rechte Licht gerückt, vom Tisch ist sie damit aber nicht. Es war Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der am 9. Oktober bei einer Parteiveranstaltung der CDU in Wolfenbüttel gesagt hatte, man könne über einzelne islamische Feiertage in bestimmten Regionen reden. Dabei hatte er auf Allerheiligen am 1. November verwiesen, was nur in katholisch geprägten Bundesländern ein gesetzlicher Feiertag ist. Grundsätzlich seien die Feiertage in Deutschland aber christlich geprägt.
Aufgrund der heftigen Reaktion auf seine Äußerung sah sich de Maizière anschließend zu einer erneuten Stellungnahme genötigt. Er habe sich nicht für die Einführung eines islamischen Feiertages ausgesprochen. Einen entsprechenden Vorschlag seinerseits  habe es nie gegeben und werde es auch nicht geben, betonte de Maizière. Bei der Wolfenbütteler Veranstaltung zum Thema Leitkultur habe er sich explizit dafür ausgesprochen, „am Glockengeläut, an unseren christlichen Festen, Feiertagen und vielem mehr“ weiterhin festzuhalten. „Auf diesem Fundament“ habe er einen Gedanken aufgegriffen, in Regionen mit einem sehr hohen Anteil  von  Muslimen  über  einen  muslimischen  Feiertag zu  diskutieren.

Vorschlag für Regionen mit vielen Muslimen

Was auch immer die Absicht des Ministers war  – das Thema ist nun in der Welt: In der Politik, in den Medien, in Kirchen, Moscheen und Familien. Und die Positionen dazu sind durchaus kontrovers.
Vor allem in seiner eigenen Partei erntete de Maizière Widerspruch. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte gegenüber der „Bild“-Zeitung“: „Unser christliches Erbe ist nicht verhandelbar. Islam-Feiertage in Deutschland einzuführen kommt für uns nicht in Frage.“
CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach sagte der Zeitung, er sehe keinen überzeugenden Grund, künftig auch nicht-christliche Feiertage unter den Schutz einer gesetzlichen Regelung zu stellen. Deutschland habe eine christlich-jüdische religiöse Prägung, keine islamische. Daher verstehe er nicht, warum jetzt diese Debatte geführt werde.
Auch der Innenexperte der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), lehnt de Maizières Vorstoß ab: Deutschland sei über Jahrhunderte durch die christliche Tradition geprägt und bestimmt worden. Daran habe sich bis heute nichts geändert. „Dass der Islam zu Deutschland gehört, lässt sich historisch durch nichts belegen und ist auch heute nirgendwo zu erkennen“, so Mayer.
Diese Position deckt sich mit der der meisten Bundesbürger. Sieben von zehn Befragten (70,1 Prozent) sprachen sich in einer von der „Bild“-Zeitung in Auftrag gegebenen Umfrage gegen islamische Feiertage aus. Nur jeder 13. Bundesbürger (7,8 Prozent) befürwortet sie, wie die Umfrage des Instituts Insa ergab.
Zurückhaltend zeigt sich auch die evangelische Kirche. Ralf Lange-Sonntag, Islambeauftragter der westfälischen Landeskirche, erklärte, es gebe zwar keine formalen Argumente, die grundlegend gegen die Einführung neuer, auch nicht-christlicher Feiertage, sprächen. Auch könne ein muslimischer Feiertag „ein Moment der Gleichberechtigung“ zwischen den Gläubigen der verschiedenen Religionen darstellen. Allerdings setzte die Einführung eine „zumindest relevante Anzahl von Musliminnen und Muslimen voraus, die mehr als eine kleine Minderheit ist“. Dabei verweist Lange-Sonntag auf das Problem, dass es keine verlässlichen Zahlen in Deutschland über die Zugehörigkeit zum Islam gibt. Der Anteil von fünf bis sechs Prozent, die Muslime an der Bevölkerung ausmachen, seien lediglich Schätzungen.
Hinzu komme, dass die muslimischen Verbände trotz jahrelanger Gespräche aus verschiedenen Gründen nicht als Religionsgemeinschaften anerkannt seien,  wobei die Abhängigkeit der DITIB von der türkischen Religionsbehörde besonders schwer wiege. Lange-Sonntag: „Ohne ein geregeltes Verhältnis zwischen den Ländern und den Muslimen in Deutschland hat ein muslimischer Feiertag aber keinen Sinn.“

Sternberg: Das Land ist christlich geprägt

Ebenso zurückhaltend gegenüber den Überlegungen zu einem muslimischen Feiertag wie die evangelische Kirche zeigt sich auch  die Laienorganisation der katholischen Kirche, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Dessen Vorsitzender Thomas Sternberg sagte: „Wenn in Gegenden mit hohem Anteil an frommen Muslimen Regelungen für die Ausübung islamischer Feiertage hinzukommen, würde das nicht die christliche Tradition unseres Landes verraten.“ Vorausgegangene Äußerungen präzisierend erklärte Sternberg jedoch weiter, er habe weder einen gesetzlichen Feiertag für Muslime gefordert, noch werde er ihn fordern. Der deutsche Staat sei ganz wesentlich durch christliche Feiertage geprägt: „Dies ist schon immer so – und wir werden alles tun, dass es so bleibt.“ Bis auf den 1. Mai und den 3. Oktober seien alle staatlichen Feiertage in Deutschland christlich geprägt. In multireligiösen Gesellschaften gehörten auch Kenntnisse über andere Religionen zur Grundbildung.
Grünen-Chef Cem Özdemir, der sich selbst als „säkularen Muslim“ bezeichnet, hält die Einführung eines islamischen Feiertages in Deutschland für überflüssig. „Ich sehe keinen Handlungsbedarf. Muslime können sich heute schon an Feiertagen freinehmen“, so Özdemir gegenüber der „Passauer Neue Presse“.
In der Tat haben mittlerweile einzelne Bundesländer, darunter die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen, in ihren Feiertagsgesetzen festgeschrieben, dass Schüler an wichtigen islamischen Feiertagen vom Unterricht freigestellt werden können und Arbeitnehmern der Besuch eines Gottesdienstes beziehungsweise Gebets ermöglicht werden soll. Ähnliche Regelungen gibt es auch für jüdische Feiertage sowie christliche, die nicht bundesweit arbeitsfrei sind wie etwa der Reformationstag oder Allerheiligen. Feiertagsregelungen sind grundsätzlich Sache der Bundesländer.
Einen solchen Staatsvertrag zwischen dem Land und muslimischen Institutionen gibt es in Nordrhein-Westfalen (NRW) aber noch nicht.  Zwar könnten Arbeitgeber ihren Mitarbeitern an religiösen Festtagen Urlaub gewähren, rechtlich verpflichtet dazu seien sie aber nicht, sagt Lange-Sonntag.
Das dürfte ein Grund dafür sein, dass die muslimische Seite den Vorstoß de Maizières grundsätzlich begrüßt. Aiman Mazyek , der Vorsitzende des Zentralverbandes der Muslime, sagte, es gehe darum, dass Muslime in Schule und Beruf Berücksichtigung fänden. Als Beispiel nannte er, dass ein Polizist zum Fest des Fastenbrechens am Ende des Fastenmonats Ramadan frei haben und dafür einen christlichen Kollegen am ersten Weihnachtsfeiertag entlasten könne. Muslimische Feiertage wertet Mayzek als integrationsfördernd. Er befürwortete auch die Einschränkung auf einzelne Regionen. Die Muslime hätten bereits klargemacht, dass es ihnen nicht um einen arbeitsfreien Tag für alle gehe, sagte er.

Die Wirtschaft wird klar dagegen sein

Weitere Diskussionen über einen gesetzlichen muslimischen Feiertag sind trotzdem vorprogrammiert. Denn spätestens, wenn auch in Flächenländern wie NRW Staatsverträge mit muslimischen Institutionen ausgehandelt werden, wird das Thema wieder auf den Tisch kommen. Und dann wird sich auch die Wirtschaft zu Wort melden. Was die sagt, ist für Ralf Lange-Sonntag ganz klar: Sie wird dagegen sein. Gleichzeitig werde auch die Kirche kein Interesse daran haben, einen kirchlichen Feiertag aufzugeben.  
Insofern könnte der Vorschlag des Bonner Staatsrechtlers Josef Isensee ein guter Kompromiss sein – oder, wie Isensee selbst sagt –  eine  „schonende Lösung“. Danach sollten  muslimische Angestellte in Nordrhein-Westfalen jährlich bis zu zwei Feiertage ohne Lohnfortzahlung beanspruchen können. Die Regelungen in Paragraph 9 des NRW-Feiertagsgesetzes betreffen aktuell jüdische Feiertage und sehen unter anderem vor, dass Arbeitnehmer am Neujahrsfest und am Versöhnungstag nicht zum Dienst erscheinen müssen. „Weitere Nachteile als ein etwaiger Lohnausfall für die versäumte Arbeitszeit“ dürften daraus nicht erwachsen, so der Jurist im Kölner „domradio“. Laut Isensee könnten ähnliche Übereinkünfte auch für Muslime getroffen werden.