Agrarsoziologin: Bauernproteste waren kommunikativ kein Erfolg

Was erreichen die Landwirte mit ihren Protesten? Warum Agrarsoziologin Janna Luisa Pieper glaubt, dass die Bauernproteste trotz medialer Aufmerksamkeit kein Erfolg sind.

Hunderte Traktoren auf dem Weg zu einer Großkundgebung des Bayerischen Bauernverbands in München
Hunderte Traktoren auf dem Weg zu einer Großkundgebung des Bayerischen Bauernverbands in MünchenImago/ Wolfgang Maria Weber

Nach Ansicht der Agrarsoziologin Janna Luisa Pieper sind die Bauernproteste trotz großer medialer Aufmerksamkeit kommunikativ betrachtet bislang kein Erfolg. „Es ist den Landwirten nicht gelungen, der breiten Gesellschaft deutlich zu machen, worum es ihnen eigentlich geht“, sagte Pieper in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Die Streichung der Agrardiesel-Subventionen ist lediglich der letzte Tropfen in einem Fass voller Themen.“ Pieper forscht am Lehrstuhl für die „Soziologie Ländlicher Räume“ an der Georg-August-Universität Göttingen.

Viele Landwirte seien in großer Sorge – „um ihre Betriebe, ihre Hofnachfolge, ihre Zukunft“, sagte Pieper. Aufgrund der sich verändernden politischen Rahmenbedingungen gebe es immer wieder neue Gesetze, Regeln und bürokratische Zwänge. „Das ist für einen Berufsstand, der sehr viel Wert auf Autonomie legt, schwierig.“

Landwirtschaft extrem von Hochwasser oder Dürren betroffen

Dazu kämen multiple Krisen wie der Klimawandel, Hochwasser oder Dürren. Mit ihnen kämen zwar alle Menschen in Berührung, sie träfen die Landwirtschaft aber viel unmittelbarer und existenzieller. Gleiches gelte für die Auswirkungen der Globalisierung und des weltumspannenden Handels: „Die Herausforderungen sind wirklich komplex.“

Sie bewirkten bei vielen Bauern Überforderung und Verunsicherung. „Es entsteht das Gefühl, dass Veränderungen zu schnell passieren und man da nicht hinterherkommt“, sagte die Agrarsoziologin. Der Eindruck, dass viele Menschen kein Verständnis für die schwierige Situation der Landwirtschaft hätten, sowie das Gefühl mangelnder Anerkennung und Wertschätzung hätten bei vielen Landwirten dazu geführt, dass sie sich nicht mehr der Gesamtgesellschaft zugehörig fühlten.

Pieper: Aktionswoche wird nicht der letzte Protest dieser Art sein

So sei es auch zu erklären, dass völkische, verschwörungsideologische und antidemokratische Parolen in Teilen der Bauernschaft Anklang fänden. „Das rechtspopulistische Narrativ von der Kritik am Establishment, an ‚denen da oben‘, an den Politikern, den Medien, an der Ampel-Regierung oder den ‚Berliner Eliten‘ ist in diesem Milieu durchaus anschlussfähig“, sagte Pieper.

Die Distanzierung der Bauernverbände von der Blockade-Aktion norddeutscher Landwirte gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat nach Ansicht der Wissenschaftlerin recht spät stattgefunden. Manches Statement hätte deutlicher ausfallen müssen. „Außerdem dürfen wir aus der Distanzierung der Verbände nicht schließen, dass alle Bauern ein Vorgehen wie an diesem Fähranleger verurteilen.“Nach Ansicht der Agrarsoziologin Janna Luisa Pieper sind die Bauernproteste trotz großer medialer Aufmerksamkeit kommunikativ betrachtet bislang kein Erfolg.

Pieper geht davon aus, dass die Aktionswoche nicht der letzte Protest dieser Art sein wird. Bereits die Bauernproteste 2019/2020 hätten das Frustpotenzial in der Landwirtschaft deutlich gezeigt. „Die Demonstrationen fanden nur ein Ende, weil dann die Corona-Pandemie kam.“