AfD-Erfolge: Was die Kirche von der Politik lernen kann
Bei den Wahlen in Sachsen und Thüringen feiert die extreme AfD Erfolge. Warum das auch für die Kirchen ein Alarmsignal ist, kommentiert Tilman Baier.
Die Wortwahl der Kommentatoren war drastisch: Ein „politisches Erdbeben“ habe die bisherige Parteienlandschaft am Abend der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen durchgerüttelt und werde nun auch für Brandenburg befürchtet. Doch zu dem, was Parteienforscherinnen und Soziologen zu den hohen Stimmengewinnen von AfD und BSW seitdem debattieren, passt ein anderes Bild besser: Der demokratische Grundwasserspiegel, der diese Gesellschaft bisher am Leben erhält, sinkt schon seit einiger Zeit langsam, aber stetig. Das muss auch Institutionen wie die Kirchen aufhorchen lassen, deren Wirk- und Bindekraft ebenfalls peu à peu sinkt.
Es sind vor allem Gefühle der Enttäuschung, die Menschen veranlassen, sich von Großinstitutionen abzuwenden. Längst nicht alle halten einem Faktencheck stand. Aber davon lassen sich Gefühle nur selten beeinflussen. Wie das Gefühl, von denen „da oben“, ob Regierung oder Landeskirchenamt, nicht wahr- und ernstgenommen zu werden. Oder das Gefühl, dass vor allem die ländlichen Milieus und ihre Belange kaum im Blick sind, weil in den gesetzgebenden Gremien, ob Bundestag oder Landessynoden, vor allem Menschen aus einem akademisch-städtischen Umfeld agieren.
Angst vor Verlust bestimmt Wahl
Mehr noch, dass der ländliche Raum bluten muss, damit urbane „Leuchttürme“ ausgebaut werden können. Und dass das, was mühsam in Eigeneinitiative entstanden ist, nun durch neue Gesetze in Gefahr gerät.
Es ist die Angst vor Verlust des Vertrauten und gleichzeitig der Trotz mündiger Bürger oder Christenmenschen, sich dem Diktat „von oben“ nicht zu beugen, der zur Abkehr führt. Zumal nicht selten der Eindruck entsteht, dass diese auch nur vorgeben, sie wüssten, was zu tun sei.
Es ist eine Binse – und doch: Wer Menschen in schwierigen Zeiten führen will, muss eine Vision von der Zukunft haben und dafür begeistern. Er muss die ersten realistischen¬ Schritte dorthin aufzeigen, auch wenn sie schwer sind. Und er muss das ständige Gespräch suchen. Das ist sehr mühsam und wird nicht alle überzeugen. Aber auch bei den Kirchen ist da noch Luft nach oben.