„Ärzte ohne Grenzen“: EU versagt im Mittelmeer

Angesichts steigender Todeszahlen bei der Flucht über das Mittelmeer ruft „Ärzte ohne Grenzen“ Europa dringend zum Umdenken und Handeln auf. Die Grenzpraktiken der Europäischen Union seien mitverantwortlich für die hohe Zahl an Toten, erklärte die Hilfsorganisation am Mittwoch in Rom bei der Vorstellung eines Berichts zur Seenotrettung im Mittelmeer. In mehreren Fällen hätten in diesem Jahr europäische Küstenstaaten auch Rettungen hinausgezögert oder die Hilfe von Rettungsorganisationen behindert.

„Im Mittelmeer wird ‚Ärzte ohne Grenzen‘ Zeuge menschlichen Leids von entsetzlichem Ausmaß“, heißt es in dem Bericht. Bei der körperlichen und psychischen Behandlung der Geretteten zeigten sich die hohen menschlichen Kosten der EU-Migrationspolitik.

Dem Bericht zufolge hat sich die Zahl der Menschen, die über die zentrale Mittelmeerroute an Italiens Küsten ankommen, im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mehr als verdoppelt. Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kamen seit Beginn des Jahres fast 2.500 Geflüchtete im Mittelmeer ums Leben oder sie werden vermisst. Die Dunkelziffer liegt vermutlich deutlich höher. Dieses Jahr ist damit bereits jetzt das tödlichste Jahr auf dieser Migrationsroute seit 2017.

Seit Anfang 2023 geht Italien zunehmend drastisch gegen private Seenotretter vor. Wie aus dem Bericht von „Ärzte ohne Grenzen“ hervorgeht, hielten die italienischen Behörden in den ersten neun Monaten des Jahres sechs Rettungsschiffe für insgesamt 160 Tage fest. Darüber hinaus hätten die Behörden den Schiffen häufig weit entfernte Häfen zugewiesen.

Zudem führe die direkte Unterstützung von Ländern wie Libyen dazu, dass Geflüchtete an unsichere Orte zurückgezwungen würden. Der Bericht „No one came to our rescue“ stützt sich auf medizinische und operative Daten, die „Ärzte ohne Grenzen“ an Bord des Rettungsschiffs „Geo Barents“ sammelte.