74. Berlinale wird politisch – Kritik an AfD-Einladung

Eigentlich soll es um die Filme gehen. Doch die aktuellen politischen Entwicklungen wirken sich auch auf die Berliner Filmfestspiele aus. Schon vor der Eröffnung Mitte Februar gibt es Protest.

Die bundesweiten Proteste gegen die AfD und die Diskussion um den Umgang mit der Partei haben nun auch die Berlinale erreicht. In einem Offenen Brief protestierten in der vergangenen Woche rund 200 Film- und Kulturschaffende gegen die Einladung von zwei AfD-Politikern zur Eröffnungsgala der 74. Internationalen Filmfestspiele Berlin am 15. Februar. Am Sonntag veröffentlichte Berlinale-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek in den Sozialen Medien dazu eine Stellungnahme.

Darin heißt es, AfD-Mitglieder nähmen zutiefst antidemokratische Positionen ein, die den Werten der Berlinale widersprächen. Als gewählte Mitglieder des Bundestags und des Berliner Abgeordnetenhauses seien AfD-Politiker aber aufgrund von Einladungsquoten über Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) und den Berliner Senat zur Eröffnung eingeladen worden.

„Menschen – auch gewählte Abgeordnete -, die gegen demokratische Werte handeln, sind auf der Berlinale nicht willkommen“, stellte Rissenbeek klar. Dies werde man in einem Brief an die eingeladenen AfD-Abgeordneten klar und nachdrücklich zum Ausdruck bringen.

Die Berlinale unterstütze alle Demonstrationen und andere Initiativen gegen „undemokratische Strömungen“. Schon bei der Vorstellung des Wettbewerbsprogramms im Januar hatten Rissenbeek und der künstlerische Leiter Carlo Chatrian eine Stellungnahme abgegeben: Man stelle sich gegen jegliche Form von Diskriminierung und setze sich für interkulturelle Verständigung ein. Mit Sorge beobachte man die Ausbreitung von Antisemitismus, anti-muslimischen Ressentiments und Hassreden in Deutschland und weltweit, so das scheidende Leitungsduo der Filmfestspiele. An dieses Statement erinnerten die Film- und Kulturschaffenden angesichts der Einladung der AfD-Politiker nun in ihrem Brief.

Auch sonst spielen auf der Berlinale, die traditionell als politisches Filmfestival gilt, aktuelle Konflikte, Kriege und Entwicklungen eine Rolle. Geplant sind etwa eine Diskussion zum Filmemachen in Zeiten von Konflikten sowie ein mobiles Tiny House für einen Dialog über den Nahost-Krieg.

Politisch geht es auch im Wettbewerb um den Goldenen und die Silbernen Bären zu. Unter den 20 nominierten Filmen ist etwa der iranische Film „Keyke mahboobe man“ (Mein Lieblingskuchen) von Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha. In der vergangenen Woche protestierte die Berlinale gegen ein Reiseverbot, das gegen die beiden verhängt wurde. 2020 hatte bereits der iranische Regisseur Mohammad Rasoulof seinen am Ende mit dem Goldenen Bären ausgezeichneten Film „Es gibt kein Böses“ über die Todesstrafe in seinem Heimatland nicht persönlich in Berlin präsentieren können.

Mit einem vom Leben der NS-Widerstandskämpferin Hilde Coppi inspirierten Drama geht hingegen in diesem Jahr der deutsche Regisseur Andreas Dresen im Wettbewerb ins Rennen. Liv Lisa Fries und Johannes Hegemann spielen die Hauptrollen in „In Liebe, Eure Hilde“. Nach mehr als zehn Jahren ist zudem Matthias Glasner mit „Sterben“ im Wettstreit um die Bären zurück. Das Familiendrama versammelt ein Star-Ensemble, zu dem unter anderen Lars Eidinger, Lilith Stangenberg, Corinna Harfouch, Ronald Zehrfeld und Robert Gwisdek zählen.

Der deutsch-französische Dokumentarfilm „Architecton“ von Victor Kossakovsky geht dem Baustoff Zement und Visionen von Architekten nach. Eine weitere Dokumentation, „Dahomey“ von Mati Diop, folgt der Rückgabe von kolonialer Raubkunst. Zu den auf dem Roten Teppich erwarteten Stars gehört auch die französische Schauspielerin Isabelle Huppert, die erneut mit dem südkoreanischen Berlinale-Dauergast Hong Sangsoo zusammengearbeitet hat – „Yeohaengjaui pilyo“ (A Traveler’s Needs) läuft ebenfalls im Wettbewerb.

Eröffnet wird die Berlinale mit dem Wettbewerbsbeitrag „Small Things Like These“ (Kleine Dinge wie diese) von Tim Mielants. Das Drama mit „Oppenheimer“-Star Cillian Murphy erzählt von den Enthüllungen zu den früheren irischen „Magdalenen-Wäschereien“. In den von katholischen Frauenorden betriebenen Heimen mussten Frauen, die aus verschiedenen Gründen aus der Gesellschaft ausgestoßen worden waren, unbezahlt schwere Arbeiten verrichten.

Der Internationalen Jury, die über die Bären-Vergabe entscheidet, sitzt in diesem Jahr die kenianisch-mexikanische Oscar-Preisträgerin Lupita Nyong’o vor. Auch der deutsche Regisseur Christian Petzold ist Mitglied der Jury. Für ihr Filmschaffen werden Oscar-Preisträger Martin Scorsese mit dem Goldenen Ehrenbären sowie der deutsche Regisseur und Autor Edgar Reitz mit der „Berlinale Kamera“ geehrt.

Nach der bis zum 25. Februar laufenden Berlinale wird das bisherige Leitungsduo Chatrian und Rissenbeek nach fünf Jahren im Amt im April von der US-Amerikanerin Tricia Tuttle abgelöst. Sie leitete früher das London Film Festival.