3sat-Dokumentation über die Spuren der Deutschen in der Türkei

2023 feiert die Türkische Republik ihr 100-jähriges Bestehen. Die Tochter eines türkischen Gastarbeiters durchstreift als Filmemacherin die Republik am Bosporus und nimmt das 3sat-Publikum mit auf die Reise.

In diesem Jahr wird die Türkische Republik 100 Jahre alt. Über zwölf Monate verteilt finden deshalb Festivitäten statt, nicht nur in der Hauptstadt Ankara. Warum sollte uns das Jubiläum interessieren? Weil sich Türken und Deutsche näher sind, als vielen bewusst ist, wie die türkischstämmige Filmemacherin Candan Six-Sasmaz zeigt. Über die besonderen Verbindungen zwischen Deutschland und der Türkei berichtet sie in ihrer 90-minütigen Dokumentation „Almanya in Anatolia – Wie deutsch ist die Türkei?“, den 3sat am 28. Oktober ab 21.40 Uhr sendet.

Der liebevoll gestaltete Film ist wie ein kleines Fest im deutschen Fernsehen für Land und Leute am Bosporus. „Almanya in Anatolia – Wie deutsch ist die Türkei?“ ist eine überraschende und bildgewaltige Entdeckungsreise auf den Spuren der Deutschen in der Türkei, wo diese seit Jahrhunderten leben, lieben und zu Hause sind.

Als Tochter eines türkischen Gastarbeiters aus dem schleswig-holsteinischen Neumünster nimmt die Filmemacherin das Publikum mit auf einen opulenten, fast 5.500 Kilometer langen Streifzug durch die Republik – der laufende Kilometerzähler wird immer mal wieder eingeblendet. Dabei gelingt es Six-Sasmaz, viel Neues über die Türkei, aber auch über die Deutschen und Deutschland zusammenzutragen.

Mit dem Mietwagen besucht sie auf ihrem Streifzug 34 der 81 türkischen Provinzen. Die Türkei zählt mit 85 Millionen ähnlich viele Einwohner wie die Bundesrepublik, ist aber doppelt so groß ist wie Deutschland. In der Doku – Start und Ziel der filmischen Reise ist Istanbul – begegnet Six-Sasmaz Deutschen, die in der Türkei eine neue Heimat gefunden haben und Türken mit deutschen Wurzeln, die schon seit mehreren Generationen am Bosporus leben.

Einer von ihnen ist Erwin Kühle, der mit seinen beiden Söhnen deutsche Waren in der Türkei vertreibt. Der 87-jährige Unternehmer hat nach eigenen Worten nie ein Problem gehabt, in der türkischen Gesellschaft anzukommen und aufgenommen zu werden. Rainer M. Czichon arbeitet als Archäologie-Professor an der Universität Osmangazi und ist mit der Türkin Nihal verheiratet. Vor der Kamera spricht der deutsch-türkische Wissenschaftler offen über seine letzten Ruhestätte in der Türkei. Seine Ehefrau ist erstaunt, denn: „Darüber haben wir noch nie geredet“.

Sogar ein seltener Besuch in den Privaträumen des deutschen Botschafters Jürgen Schulz war Six-Sasmaz für ihren Film gestattet. Die Beziehung der beiden Länder ist für den obersten Repräsentanten der Bundesrepublik in der Türkei „so facettenreich wie kaum eine andere“.

Neben den unterschiedlichen Menschen in Stadt und Land, denen Offenheit und Gastfreundschaft gemein sind, beeindruckt der sehenswerte Dokumentarfilm durch einzigartige Landschaften. Einige, wie die Gesteinsterrassen mit heißen Thermalquellen von Pamukkale, zählen zum Unesco-Welterbe. Zu sehen gibt es neben pulsierenden Metropolen wie Ankara und Istanbul auch Provinzen mit viel Land und wenig Leuten. Man erfährt, dass eine Wiege des christlichen Glaubens im türkischen Midyat in der Provinz Mardin liegt.

Und wer hätte gedacht, dass Deutsche vor 160 Jahren ein Dorf in der Türkei gegründet haben? Oder dass zwar Staatsgründer Atatürk Ankara zur türkischen Hauptstadt ernannte, aber ein Deutscher die Stadt plante. Und dass 100 Jahre, bevor die ersten türkischen Gastarbeiter nach Deutschland kamen, Deutsche als Gastarbeiter in die Türkei gingen. Ebenso wenig bekannt dürfte sein, dass der deutsche Weltkonzern Siemens bereits neun Jahre nach seiner Gründung Mitte des 19. Jahrhunderts anfing, in der Türkei zu arbeiten, dort also seit nunmehr 165 Jahren produziert.

Die Türkei – vielen Menschen hierzulande so fern und doch so nah. Six-Sasmaz stellt sich die Frage: Ist die Türkei deutsch oder sind die Deutschen türkisch? „Beides“, findet die weit gereiste Filmemacherin – und lässt zum Schluss ihre Reisebekanntschaften diese Frage beantworten.