Peter Sodann: Ein betender Kommunist

Ein Nachruf auf Peter Sodann. Der Tatort-Kommissar, Regisseur und Theaterintendant starb am 5. April im Alter von 87 Jahren in Halle (Saale). Unsere Autorin hat ihn einmal persönlich getroffen.

Peter Sodann
Peter Sodannepd-Bild /Steffen Schellhorn

„Ich bin ein betender Kommunist.“ Diesen später noch oft zitierten Satz hatte Peter Sodann im Interview mit der christlichen Zeitschrift Publik-Forum gesagt. Hinter dem zuweilen mürrischen und raubeinigen Kommissar Bruno Ehrlicher, der seit 1991 im ARD-Tatort die Herzen eroberte, verbarg sich ein tiefgründiger, für eine gerechte Gesellschaft streitender Theatermann mit einer erstaunlichen Nähe zum Christentum. Auch nach seinem Tod mit 87 Jahren wird er vielen im Gedächtnis bleiben.

Kultur hilft gegen Dummheit

Im „Neuen Theater“ in Halle/Saale bin ich ihm begegnet – Teil einer Kulturinsel mitten in einer Stadt, in der sich, entgegen anderen Behauptungen, die Sehnsucht der Menschen nicht in den Einkaufsmeilen mit Quelle- und Rossmann-Geschäften erschöpft. Für sie hat Sodann mit anderen die Kulturinsel gebaut. Sie ist ein beliebter Anlaufpunkt auch für die, die keinen großen Geldbeutel haben.

Dabei hat der Tatort-Kommissar schon damals gewusst: Die Front gegen rechts kann nur erfolgreich sein, wenn es auch eine Front gegen die Dummheit ist. „Und gegen Dummheit hilft die Kultur, hilft das Theater. Wir haben keine Zukunft, wenn es nicht einen Prozess gibt, bei dem wir für Bildung und Kultur das meiste Geld rausschmeißen“, war der vierfache Vater überzeugt.

Als Pazifist im Gefängnis

Geboren ist Peter Sodann im sächsischen Meißen, aufgewachsen in Weinböhla bei Dresden. Zwei Ereignisse haben sein Leben geprägt: Sein Vater blieb im Krieg, als er acht Jahre alt war. Das hat ihn zum Pazifisten gemacht. Das andere: 1961 wurde er als junger SED-Genosse aufgrund eines Theaterprogramms verhaftet und wegen „Konterrevolution und staatsgefährdender Hetze“ zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Neun Monate saß er davon ab.

Als er 1962 entlassen wird, bleibt er in der DDR, weil er – wie Michael Kohlhaas – um sein Recht kämpfen will. Der gelernte Werkzeugmacher muss eine Lehre als Spitzendreher absolvieren, zwei Jahre danach wird er wieder an der Theaterhochschule in Leipzig immatrikuliert. Kurz darauf holt ihn Helene Weigel an das Berliner Ensemble. Es folgen Engagements in Chemnitz und Erfurt, später geht er als Theaterdirektor nach Halle, wird Intendant des „Neuen Theaters“.

Beten bedeutet: „Ich denke über mich nach“

„Zum Christentum“ habe er „eine starke Beziehung“, hat der überzeugte Kommunist in unserem Gespräch gesagt. Mit seinem Chemnitzer Freund, dem in der DDR verfemten Dichter Alfred Matusche, habe er oft darüber diskutiert. Da sei es vor allem um die Beziehung zur Schöpfung und die Achtung vor ihr gegangen. Sie haben den Satz geprägt: „Solange die Menschen Häuser bauen, die höher als Bäume sind, geht es mit der Welt nicht vorwärts. Außer einem Haus, das könnte ein Gotteshaus sein.“ Beten, so hat er gesagt, heiße für ihn nicht, „ich setze mich hin, falte die Hände und schicke Wünsche zum Himmel“. Beten heiße für ihn, „ich denke über mich nach. Ich halte über mich Gericht, frage, was mache ich?“

Der Verlust der Religion bedeute auch, die Beziehung zur Natur und die Achtung vor ihr zu verlieren. Wenn das passiere, so Peter Sodann in unserem Gespräch, werden die Menschen überheblich. „Und nicht beten heißt, hochmütig zu sein.“ Angst mache ihm die „Spaßdemokratie“: „Nur keine Sentimentalitäten über den Dreck auf der anderen Straßenseite, die blasser werdende Solidarität im Land, die Zumutungen der Massenmedien, die Brutalität der Konsumindustrie.“

Stimme des Ostens

So wurde Peter Sodann, der 1989 die Montagsdemonstrationen in Halle mitorganisiert hat, nicht müde, für Teilhabe zu streiten. Auch zwischen Ost und West. Lebhaft erinnert er an die Anfänge der ostdeutschen „Tatorts“ in der TV-Kriminalfilm-Reihe: „Als der Westen über uns kam, habe ich gesagt, jetzt sind alle unsere Regale leer. Da müssen wir was hinstellen, sonst stellen die anderen was rein.“ Damals gründete er mit seinem Freund Hans Hohner eine Filmgesellschaft. Die Stimme des Ostens sollte hörbar bleiben. So, wie auch durch die unzähligen Bücher aus DDR-Verlagen, die er vor der Vernichtung bewahrt und nun in einer großen Bibliothek hinterlassen hat.

Zur Autorin: Bettina Röder ist freie Journalistin und hat Peter Sodann persönlich kennengelernt.