„Zwei Töpfe in der Hölle“

Im Januar 1943, mitten im Zweiten Weltkrieg, treffen sich Winston Churchill und Franklin D. Roosevelt zu einer geheimen Konferenz in Casablanca. Als Ziel legen sie die bedingungslose Kapitulation Deutschlands und Japans fest

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Zwei Töpfe in der Hölle seien es, in denen er Hitler und den US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt gern schmoren sähe, sagte Ewald von Kleist-Schmenzin grimmig. Der nationalkonservative Politiker zählte seit der Weimarer Republik zu den Gegnern der Nazis, er wurde nach dem gescheiterten Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 hingerichtet.

Politiker planten Vorgehensweise gegen Hitler

Was ihn Anfang 1943 so erboste, war eine Forderung, die Roosevelt und der britische Premierminister Winston Churchill am 24. Januar 1943 verkündet hatten: Die Achsenmächte Deutschland und Japan könnten den Zweiten Weltkrieg nur beenden, indem sie „bedingungslos kapitulierten“. Wenn man aber keinen anderen Ausweg offen ließe, würde das den Durchhaltewillen nur stärken, befürchteten Kleist-Schmenzin und andere Gegner des NS-Regimes. Lieber kämpfen bis zum Ende als sich bedingungslos ergeben.
Zehn Tage lang, vom 14. bis zum 24. Januar, saßen Roosevelt, Churchill und ihre Stäbe in Casablanca in Marokko zusammen und besprachen ihre weitere Vorgehensweise im Krieg gegen Hitler-Deutschland. Im Juni 1942 hatte die US-Marine im Pazifik die Schlacht um Midway gewonnen und dabei vier japanische Flugzeugträger versenkt. In Stalingrad wehrten sich Anfang 1943 Soldaten der eingekesselten deutschen 6. Armee ihrer Haut, in Tunesien kämpften nur noch Reste des deutsch-italienischen Afrikakorps.
Casablanca war eine symbolträchtige Stadt, Roosevelt wollte sie deshalb als Ort für die Konferenz. Erst kurz zuvor nämlich hatten britische und US-Truppen die Stadt von Vichy-Frankreich erobert, das mit Deutschland kollaborierte. Und seit einigen Wochen lief mit Erfolg in den Kinos der Film „Casablanca“ mit Ingrid Bergman und Humphrey Bogart. Auch Stalin war zur Konferenz eingeladen. Aber der ließ sich entschuldigen: Wegen des bevorstehenden Endes der Schlacht um Stalingrad könne er die Sowjetunion nicht verlassen.
Die Frage, welche psychologische Auswirkung die Forderung von Casablanca nach bedingungsloser Kapitulation hatte, ist bis heute offen. „Das hat sicher zu einer Stärkung des Durchhaltewillens beigetragen“, sagt der Historiker Johannes Hürter vom Münchner Institut für Zeitgeschichte. Aber vor allem in Bezug auf den sowjetischen Kriegsgegner habe ohnehin jeder gewusst, „dass ein Strafgericht hereinbrechen würde, wenn der Krieg verloren geht“.
Für den Marburger Historiker Eckart Conze stellt sich die Frage, was Roosevelt und Churchill auch sonst hätten tun sollen. „Es gab in dieser Situation Anfang 1943 keine Möglichkeit, über ein andersartiges Ende des Kriegs nachzudenken“, sagt er. „Dafür fehlte ja auch auf deutscher Seite jede Bereitschaft.“
Überdies sei das Kriegsziel der bedingungslosen Kapitulation ein Signal an Stalin ebenso wie an Hitler gewesen, erläutert Conze. Denn der stets misstrauische Sowjetführer argwöhnte, seine westlichen Verbündeten könnten sich mit Hitler arrangieren und einen Sonderfrieden mit Deutschland und Italien schließen. Die Botschaft an Hitler lautete, dass er mit so einer Möglichkeit gar nicht erst zu rechnen brauche.
Es gab nach Conzes Worten schließlich noch eine dritte Ebene: Die USA und Großbritannien wollten nicht den Fehler aus dem Ersten Weltkrieg wiederholen. Damals wurde der Waffenstillstand zur Grundlage für die sogenannte Dolchstoßlegende: Demokratische Politiker hätten ihr zufolge dem angeblich unbesiegten deutschen Heer mit ihrem Friedenswunsch den Dolch in den Rücken gestoßen. Diesmal, so das alliierte Kalkül, dürfe es keinen Zweifel daran geben, dass die Wehrmacht vollkommen besiegt sei.
Auch wenn Kleist-Schmenzin und andere Angehörige des Widerstands frustriert über die Forderung nach bedingungsloser Kapitulation waren: Behindert hat sie den Widerstand weder nach Conzes noch nach Hürters Einschätzung. „Für viele im Widerstand waren ja moralische Gründe ganz wichtig, ihnen ging es nicht nur um das Ende des Kriegs“, sagt Conze. Hürter weist darauf hin, dass der Widerstand gegen Hitler – unter dem Eindruck immer weiterer Niederlagen – erst nach 1943 immer aktiver wurde.

Nach 1943 wurde der Widerstand immer aktiver

Der Münchner Wissenschaftler ergänzt, dass es immer wieder Signale gegeben habe, dass die USA ihre strikte Haltung abschwächen könnten. Gleich nach der Konferenz erklärte Roosevelt in einer Radioansprache: „Unsere kompromisslose Politik ist nicht als Angriff auf die einfachen Bürger der Achsenmächte zu verstehen. Sie ist zu verstehen als das Streben nach einer vollständigen und umfassenden Bestrafung ihrer schuldigen und barbarischen Führer.“
Den Nazis war das freilich egal. Ihre Antwort auf Casablanca kam am 18. Februar. Diese Antwort war eine Frage. NS-Propagandaminister Joseph Goebbels brüllte sie an diesem Tag bei seiner Rede im Berliner Sportpalast ins Publikum: „Wollt ihr den totalen Krieg?“