Zum Weglaufen

Über den Predigttext für den 1. Sonntag nach Trinitatis: Jona 1,1-3

Predigttext
1 Eines Tages empfing Jona, Amittais Sohn, eine Botschaft vom Herrn. Gott sprach zu ihm: 2 „Geh in die große und mächtige Stadt Ninive und kündige ihren Bewohnern mein Strafgericht an! Denn ihre Bosheit schreit zum Himmel, ich kann sie nicht länger mit ansehen!“ 3 Jona machte sich auf den Weg – aber in die entgegengesetzte Richtung! Er floh vor dem Herrn.
Übersetzung: Hoffnung für alle

Es liegt schon lange zurück, als mein Dienst in meiner ersten Gemeinde begann. Ich erinnere da ein Gespräch mit einem gestandenen, aber traurigen Mann: An seiner Arbeitsstelle nehme man ihn nicht ernst, klagte er, weil er sich in der Kirche engagiere. Wer mache denn heutzutage sowas noch?

Inzwischen sind Jahre vergangen, und ich weiß nicht, ob unser Gespräch dem Mann Mut gemacht hatte. Aber sein Problem – das ist heute immer noch aktuell. Wenn du dich als Christin oder Christ outest, erntest du heute nicht nur ein müdes Lächeln, sondern auch herbe Kritik. Das tut weh, und das nimmt Mut.

Manchmal ist alles zum Weglaufen

Genau davor hatte Jona Angst. Er war damit beauftragt, anderen Gottes Meinung zu sagen: „Kehrt um! Ihr begeht schwere Fehler! Ihr lasst Menschen im Mittelmeer jämmerlich ersaufen! Euren nachfolgenden Generationen hinterlasst ihr einen klimatischen Scherbenhaufen! Asiatische Kinder lasst ihr für eure billigen Klamotten schuften! Ihr denkt nur an euch selbst! Meine guten Gebote sind euch egal! Das lasse ich nicht weiter zu! Geh Jona! Sag es ihnen!” So klängen Gottes Worte wohl heute.

Nun, Jona macht sich auf den Weg, aber – wie wir alle wissen – in die falsche Richtung. Er flieht vor seinem Auftrag, er flieht vor Gott.

Mir ist auch oft danach. Angesichts der Härte, mit der wir untereinander umgehen, wird mir manchmal übel. Erschüttert bin ich über den Hass, der einem im Internet entgegenschlägt. Setzt man sich für Flüchtlinge ein, muss man mit übelsten Beschimpfungen rechnen. Da verliert man schnell den Mut.

Jona geht das so. Er gerät in den Sturm des Lebens, alles bricht über ihn herein. Er droht unterzugehen. Immer wieder muss er sich fragen lassen: Was hast du falsch gemacht? Warum drohen wir abzusaufen?

Nun, Jona ist einer aus Ninive. Auch die fliehen vor Gott in ein Leben, von dem sie sich erhoffen, ihr Glück zu finden: viel Geld, tolles Auto, schmuckes Häuschen, volle Regale zu jeder Jahreszeit, schöne Kreuzfahrten und und und. Sie übersehen dabei, dass all das unendlich viel kostet, und bezahlen tun das andere: die, auf deren Kosten wir leben. Und die wir im Stich lassen, wenn sie an unserem Reichtum teilhaben wollen. Auch die, die mittels unserer Rüstungsgüter sterben müssen. Die aus Ninive, das sind wir.

Wie Jona auch spüren wir, dass da was nicht stimmt. Wie Jona auch, laufen wir vor diesen Gedanken davon. Was muss anders werden?

Da gibt Gott Jona eine Chance. Er lässt ihn in seinen Gedanken nicht absaufen, sondern er gibt ihm Zeit und Ruhe, um zur Besinnung zu kommen.
Und Gott gibt auch uns genau diese Chance. Er lässt auch uns trotz unserer Schuld nicht jämmerlich absaufen.

Ich denke zweierlei. Erstens: Gott lässt uns alle nicht im Stich. Gleichwohl wir seinen Lebensempfehlungen nicht folgen, glaubt er an uns, ja, er liebt uns. Deswegen rechnet er ganz fest mit unserer Einsicht, er gibt uns Zeit und er glaubt an eine Zukunft mit uns.

Und zweitens: Gott ruft dich und mich zur Umkehr. Denn er braucht uns. Damit wir in seiner Kirche handeln, Glaube wecken, Hoffnung und Zuversicht ausstrahlen, dem Nächsten nahe sind, gerade dem, der uns fremd ist. Damit wir Gottes Liebe leben.

Das ist sein Ruf an uns. Wir sind aufgefordert, ihm zu folgen. Er hat uns dazu einen Weg gezeigt, den wir gehen können. Es ist der Weg, den Jesus uns gewiesen hat. Es ist der Weg des Miteinanders und des Füreinanders, der Weg der Nächstenliebe und der Gottesliebe. Es ist der Weg, der ins Leben führt, sogar über den Tod hinaus.

In einer meiner eigenen mutlosen Phasen schenkte mir ein Teenager eine kleine Karte: „Sei mutig und entschlossen! Lass dich nicht einschüchtern und hab keine Angst! Denn ich, der Herr, dein Gott, bin bei dir, wohin du auch gehst.” (Josua 1,9)

Darauf können wir uns wirklich verlassen. Gerade in diesen mutlosen Zeiten, in denen so viele der Kirche den Rücken kehren und uns Gläubigen ein starker Wind ins Gesicht weht: Gott gibt uns nicht auf. Er rechnet mit dir und er rechnet mit unser aller Einsicht und Umkehr. Aus einem ganz einfachen Grunde: Gott liebt uns.

Was aus dem traurigen Mann seinerzeit geworden ist, das weiß ich nicht mehr nach fast 40 Dienstjahren. Worauf ich aber fest vertraue: Seinen Auftrag damals hat er ganz gewiss erfüllt, denn seinen Weg ist er mit Jesus gegangen; und deswegen wird er teilhaben an der Liebe Gottes, an dem Reich Gottes, das uns allen verheißen ist.