Zukunftsdrama über ein „Baby to go“

Provokatives Drama um eine von KI regierte Welt, in der auch der menschliche Nachwuchs außerhalb des Körpers heranreift.

Gegensätze ziehen sich an, heißt es im Volksmund. Das mag auch auf die Protagonisten von „Baby to Go“ zutreffen. Rachel (Emilia Clarke) und Alvy (Chiwetel Ejiofor) sind seit einigen Jahren ein Paar und leben in nicht allzu ferner Zukunft in einer Großstadt, die wie New York aussieht. Rachel bestimmt in einer PR-Firma die Algorithmen von Influencern. Ihre Firma erwägt, sie auf eine leitende Position zu befördern. Alvy ist Botaniker und glaubt an die Kraft der Natur. Er doziert an der Universität und betreut ein sogenanntes „Greenhouse“, eine Art Museum, in dem Studierende echte Pflanzen anschauen und anfassen können.

Rachel und Alvy wohnen in einem modernen Appartement, in dem künstliche Intelligenz allgegenwärtig ist. Die KI kennt die Bewohner in- und auswendig. Sie kocht morgens pünktlich den Tee, schlägt vor, welche Kleidung angemessen wäre und was zum Essen auf den Tisch kommen soll. Alvy ist die KI suspekt. Rachel aber lebt in Einklang mit ihr. Selbst ihre Psychotherapeutin ist eine KI, die oft nur in Form eines übergroßen Auges auf dem Bildschirm präsent ist.

Die Filmemacherin Sophies Barthes entwirft eine sanfte schöne neue Welt, die der Gegenwart gar nicht so fremd ist. Künstliche Intelligenzen und smarte Computer sind allgegenwärtig, können aber nicht viel mehr, als was sich heute als bald möglich abzeichnet.

Vor dem Hintergrund einer solchen realitätsnahen Zukunft verhandelt „Baby to Go“ das, was wissenschaftlich gesehen der eigentliche Sinn des Lebens ist: die Fortpflanzung. Denn auch für Rachel und Alvy stellt sich die Frage, ob sie Kinder haben wollen, und wenn ja, wann der dafür günstige Zeitpunkt ist.

Verhandelt wird das Thema allerdings weniger von Alvy und Rachel als von Rachel und ihrer Firma. Denn wenn Rachel in herkömmlicher Art Mutter wird und das Kind selbst austrägt, fällt sie für den Betrieb längere Zeit aus, was einer Beförderung entgegensteht. Setzt sie hingegen auf die modernste Fortpflanzungstechnik der Firma Pagazus, die die Schwangerschaft in eine externe Gebärmutter verlegt, könnte sie weiterhin voll arbeiten.

Abgesehen davon ermöglicht die extra-uterine Schwangerschaft den Einbezug des Vaters vom Moment der Zeugung an in bisher nie dagewesener Form. Denn das Tamagotchi-förmige, „Pod“ genannte Ding, in dem das neue Menschlein heranwächst, lässt sich in einem Umhängbeutel locker auch von Männern herumtragen – sofern man es nicht einfach in der Obhut des von Pagazus betriebenen „Womb-Centers“ heranwachsen lassen will.

Das ist als Idee durchaus interessant, weil sich davon ausgehend viele fortpflanzungstechnische wie gesellschaftspolitische spannende, aber auch lustige Szenarien vorstellen lassen. Sophie Barthes hat das zwar erkannt, es aber nicht mit dem nötigen Biss umgesetzt. Sie tupft viele Themen an, führt diese aber nicht weiter aus. Was jammerschade ist. Denn sowohl Emilia Clarke als Rachel als auch Chiwetel Ejiofor als Alvy haben schon oft bewiesen, dass sie Charaktere zu interpretieren verstehen. Doch die Inszenierung lässt die Protagonisten nie richtig auf Touren kommen. Zwischen den beiden fliegen weder die Funken, noch knistert es.

So willigt Alvy mehr oder weniger widerspruchslos in Rachels Karriere- und Familienplanung ein. Dass sie das Kind nicht selbst austragen will, nimmt er klaglos hin. Bald sitzen die beiden gemeinsam im „Womb Center“. Die Direktorin preist die extra-uterine Schwangerschaft im jovialen Tonfall einer Verkäuferin. Fehler oder willentlich unterdrückte Funktionen wie die, dass im Pod heranwachsende Kinder weder träumen noch spielen, werden nebenbei erwähnt, aber nicht weiterverfolgt. Schließlich passen die so ausgetragenen Babys perfekt in die streng marktwirtschaftlich organisierte Gesellschaft, in der sie zu bestehen haben.

Das alles klingt nach schwarzhumoriger Satire oder bitterböser Komödie, was „Baby to Go“ aber nicht ist. Obwohl der Film immer wieder schmunzeln lässt, ist er nicht wirklich humorvoll. Auch sarkastische oder ironische Zwischentöne sind ihm fremd. Überdies scheinen der Inszenierung mit der Zeit die Ideen auszugehen.