Zuhören, aber richtig

Nicht nur die Worte hören, sondern auch die Botschaft verstehen: Wer richtig zuhören will, muss sich auf den anderen einlassen – reine Übungssache, findet unsere Autorin Mirjam Rüscher.

Auch aktives Zuhören will gelernt sein
Auch aktives Zuhören will gelernt seinTSEW

„Jetzt hör mir doch mal zu!“ Wer diese Worte hört, der weiß: So ganz war ich bisher nicht bei der Sache. Man mag zwar die Worte des Gegenüber verstanden haben, doch nicht, was dahintersteckt, die eigentliche Botschaft.

„Wenn er mich anruft, dann will ich ihn erhören“ (Psalm 91,15), so heißt der liturgische Eröffnungsvers für den Sonntag Invokavit. Ein passender Anlass, sich über das Anrufen, das Ansprechen und das Zuhören Gedanken zu machen.

„Wer Ohren hat zu hören, der höre!“ (Lukas 8,8), so heißt auch eine beliebte Aufforderung von Jesus. Die Antennen auf Empfang stellen also, seine Ohren benutzen. Das lohnt sich. Und gleichzeitig: So einfach ist es nicht. Gutes Zuhören, richtiges Zuhören will gelernt sein, das muss man üben. Denn unsere Sprache, Worte sind trickreich und nicht immer eindeutig. Was ich sage und was beim anderen ankommt, das sind mitunter zwei völlig verschiedene Dinge. Wo ich interessiert nachfrage, hört mein Gegenüber vielleicht Zweifel oder Kritik. Wo ich lache, um meine Unsicherheit zu überspielen, fühlt sich der andere vielleicht ausgelacht.

Unterscheiden lernen, was das Gehörte mit mir zu tun hat

Es zeigt sich hier das, was man in der Seelsorge gleich als erstes lernt: Alles, was ich höre, hat mit mir zu tun. Die gleiche Geschichte, zwei Personen erzählt, kann zwei völlig unterschiedliche Reaktionen hervorrufen – je nachdem, wie meine Situation ist. Erzählt mir jemand von einer wilden Party, bei der viel getrunken wurde, kann ich neidisch sein, weil ich lange nicht wild gefeiert habe. Ich kann aber auch besorgt sein, weil ich in meinem Umfeld Menschen habe, die ein Alkoholproblem haben und nun meine Alarmglocken schrillen.

Ich kann mich nicht „ausschließen“ von der Unterhaltung. Aber je mehr ich über mich weiß, meine Wunden kenne, desto besser kann ich unterscheiden zwischen dem, was ich höre, weil es mit mir zu tun hat, und dem, was der andere wirklich sagen will.

Gar nicht so einfach. Aber es heißt ja auch nicht umsonst: Zuhören ist eine Kunst. Es ist eben mehr als nur die Wörter zu verstehen, ihren Sinn zu erschließen. Manchmal bedeutet es auch, Botschaften zu entschlüsseln, zu interpretieren. Tonlage, Pausen, Tempo, im persönlichen Gespräch Mimik und Gestik – richtig zuhören bedeutet, sich auf den anderen einzulassen, ganz bei ihm, bei ihr zu sein, Anteil zu nehmen. Und vor allem bedeutet es: Sich selbst zurückzunehmen – und vielleicht einfach mal die Klappe zu halten.

Mehr zuhören führt zu mehr Verständnis

Das fällt den meisten von uns gar nicht so leicht. Wir reden doch fast alle gern drauflos, wollen uns am Gespräch beteiligen, Antworten geben, unser Wissen teilen. Manchmal sind wir dabei einfach zu schnell. Überhören, was eigentlich gerade angebracht wäre. Schweigen vielleicht. Eine aktive Pause, in der ich der anderen zeige: Ich kann deinen Gedanken nachvollziehen. Ich höre, was du sagst.

Worum es am Ende wirklich geht, ist bei meinem Gesprächspartner zu sein. Sich auf ihn einzulassen. Und wenn ich das nicht kann, dann ist der beste Weg vielleicht Ehrlichkeit: Es tut mir leid, ich kann dir heute nicht so zuhören, wie ich es gern möchte, weil mich etwas anderes beschäftigt. Anstatt sich unverstanden und nicht gehört zu fühlen, fühlt sich meine Gesprächspartnerin dann ernst genommen. Das wäre ein großer Schritt zu mehr Zuhören, Hinhören und damit letztlich auch zu mehr Verständnis. Und das, egal ob in unserem persönlichen Umfeld oder gesamtgesellschaftlich, können wir alle gut brauchen.