Artikel teilen:

Zollner würdigt Kirche in Österreich für Opferschutz bei Missbrauch

Missbrauchsexperte Hans Zollner zollt der katholischen Kirche in Österreich Respekt: Das Wirken von Opferschutzanwältin und Kardinal habe Missbrauchsopfern Wege zu Würde und Gerechtigkeit eröffnet.

Missbrauchsexperte Hans Zollner hat die Opferschutzarbeit der katholischen Kirche in Österreich gewürdigt. Zollner hob das Engagement der österreichischen Opferschutzanwältin Waltraud Klasnic und des ehemaligen Wiener Erzbischofs Kardinal Christoph Schönborn hervor. Deren Arbeit in den vergangenen 15 Jahren sei “ein herausragendes Element eines systemischen Vorgehens, das auch in anderen Bereichen aufgenommen werden sollte”, sagte der Jesuit am Dienstag bei einem Vortrag in Wien.

Auf Initiative Schönborns und weiterer Bischöfe hatte Klasnic im April 2010 die Aufgabe als Unabhängige Opferschutzanwältin in der katholischen Kirche Österreichs übernommen. Unter ihrem Vorsitz entwickelte sich eine Opferschutzkommission mit anerkannten Fachleuten. Vor der Leistung Klasnics und Schönborns habe er “tiefen Respekt”, die für Kirche und Gesellschaft “von unschätzbarem Wert” sei, so der Jesuit. “Ihr entschlossenes Eintreten für Wahrheit, Gerechtigkeit und die Unterstützung der Betroffenen hat vielen Menschen, die durch Missbrauch und Gewalt tief verletzt wurden, einen Weg zu Gehör, Hilfe und Würde eröffnet.”

In seinem Vortrag betonte Zollner, dass sexueller Missbrauch in der Kirche nicht als Problem einzelner Täter zu begreifen sei, sondern systemische Ursachen habe. Die Kirche sei ein komplexes Gefüge aus Strukturen, Abhängigkeiten und Verbindlichkeiten – zwischen Pfarren, Priestern, Verwaltung und Leitungsebenen. Dieses System könne viel Gutes bewirken, aber auch zu einer “Nebelwand” werden, die Täter schütze und Missbrauchsopfer isoliere.

Hinzu komme eine weit verbreitete pastorale “Sprachlosigkeit” nicht zuletzt unter Priestern und Priesteramtskandidaten bei Fragen der Sexualität, so der Jesuit. Es reiche daher nicht, nur über Einzeltäter oder Vertuschung zu sprechen. Vielmehr müssten Bereiche wie Ausbildung, Theologie, Spiritualität, Verwaltung und Machtverhältnisse kritisch überprüft werden. “Es ist die Kombination und Wechselwirkung dieser Faktoren, die absolut toxisch wirken kann”, sagte Zollner. Erst wenn man Missbrauch vor diesem Hintergrund systemisch betrachtet, könne auch nachhaltig Missbrauch bekämpft werden und Prävention gelingen.

Der deutsche Jesuit Hans Zollner leitet in Rom das “Institut für Anthropologie – Interdisziplinäre Studien zur Menschenwürde und zur Sorge für Schutzbefohlene” (IADC) an der Päpstlichen Universität Gregoriana. Er gilt international als einer der führenden Fachleute für Prävention und Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in kirchlichen Kontexten.

Seit 2010 bis Ende Juni 2025 hat die Unabhängige Opferschutzkommission (UOK) in 3.492 gemeldeten Fällen von Missbrauch und Gewalt in der österreichischen Kirche entschieden. Die Zahlungen, über die die Kommission entscheidet, richten sich nach Schwere der Vorfälle.