Zimmer frei

Viele Kirchengemeinden im Norden wollen den Menschen aus der Ukraine helfen und schieben Aktionen an. Eine Gemeinde vor den Toren Lübecks etwa bereitet ihre Pilgerherberge für Geflüchtete vor.

Pastorin Magdalena Modrow zeigt ein Zimmer der Pilgerherberge
Pastorin Magdalena Modrow zeigt ein Zimmer der PilgerherbergeKristina Tesch

Hamburg / Klein Wesenberg. Die Pilger müssen noch warten. Eigentlich sollten nach der Winterpause wieder die ersten Wanderer einziehen in die Pilgerherberge in Klein Wesenberg, vor den Toren Lübecks am Jakobsweg gelegen. Doch die Unterkunft gehört der Kirchengemeinde, die auf Vorschlag ihrer Pastorin Magdalena Modrow entschieden hat: „Wir nehmen in der Herberge Flüchtlinge aus der Ukraine auf.“

Dafür verzichte die Gemeinde gern auf das Geld, das die Pilger für ihr Bett eigentlich gezahlt hätten, sagt Pastorin Modrow. Die Entscheidung sei dem Kirchengemeinderat leicht gefallen. „Innerhalb von ein paar Minuten war die Sache durch, so schnell ging es noch nie.“ Gleich danach meldete die Theologin die Pilgerherberge beim Amt Nordstormarn und beim Kreis Stormarn an. Außerdem registrierte sie die Pilgerherberge auf einer Internet-Plattform, die sich um die Verteilung von Flüchtlingen kümmert.

Gemeinde voller Vorfreude

Seitdem warten die Klein Wesenberger Christen auf Gäste für die drei Zimmer mit ihren acht Betten plus Küche. „Wir sind alle voller Vorfreude“, sagt Magdalena Modrow. Freiwillige würden den ukrainischen Flüchtlingen Autofahrten anbieten oder für sie einkaufen, eine Kinderkrankenschwester in Elternzeit hat ebenfalls ihre Hilfe angeboten. Auch Pastorin Modrow wird ihre Kompetenz wohl einsetzen müssen: Für ihr Diplom hat sie über Trauma-Arbeit bei Jugendlichen geschrieben.

Am Bahnhof in Berlin werden die Menschen nach ihrer Ankunft versorgt
Am Bahnhof in Berlin werden die Menschen nach ihrer Ankunft versorgtChristian Ditsch / epd

Weil auch russisch-sprachige Menschen ihre Kirche regelmäßig besuchen, ist für die Übersetzung gesorgt. Pastorin Modrow wünscht sich, dass die Flüchtlinge auch am Gemeindeleben teilnehmen.

Gut möglich, dass die Herberge in Klein Wesenberg nicht mehr lange leer bleibt. Bislang sind in Hamburg und Schleswig-Holstein schon mehr als 3500 Geflüchtete aus der Ukraine angekommen, sagt Dietlind Jochims, Flüchtlingspastorin der Nordkirche. Vermutlich sei die Zahl höher, weil viele bei Freunden oder Verwandten untergekommen seien und sich noch nicht bei den Behörden gemeldet hätten. Wie sich die Lage entwickeln wird, sei schwierig einzuschätzen. „Das hängt vom Verlauf des Kriegs ab“, sagt die Theologin. Sie gibt aber zu bedenken, dass das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nation von der am „schnellsten wachsenden Flüchtlingskrise“ seit dem Zweiten Weltkrieg spricht.

Geldspenden erwünscht

Wer helfen möchte, kann das laut Dietlind Jochims am besten mit einer Geldspende machen. „Kleine Sachspenden machen manchmal viel Arbeit“, erläutert sie. Bei diesen sollte man sich vorher im Internet informieren, etwa auf www.der-hafen-hilft.de oder www.diakonie-sh.de. In den Kirchengemeinden sieht die Flüchtlingspastorin eine große Hilfsbereitschaft. Nach dem ersten Schock seien viele Gemeinden dabei, Aktivitäten anzuschieben. Sinnvoll sei, dass sich Gemeinden Hilfsprojekten im Ort anschließen.

Genau das macht die Kirchengemeinde Hamburg-Niendorf, die sich dem Stadtteil-Bündnis „Wir für Niendorf“ angeschlossen hat. Es ist 2015 während der Flüchtlingskrise entstanden. Die Kirchengemeinde richtet ein Café als offenen Treff ein, der an der Kirche am Markt liegt. Unterschlupf finden die Menschen aus der Ukraine in einer großen städtischen Unterkunft mit 1.800 Plätzen nahe der Gemeinde. Sie wird momentan vorbereitet. Etwa 100 Ehrenamtliche würden noch gebraucht, sagt Pastorin Maren Gottsmann. Sie sollen mit den Flüchtlingen spazierengehen, für sie einkaufen oder ihnen die Stadt zeigen. Wer sich engagieren möchte, kann sich unter info@wirfuerniendorf.de melden.