Zentralratspräsident Schuster: Juden erleben „psychischen Terror“
Für viele deutsche Juden kommt zur wachsenden Sorge um ihre Sicherheit jetzt die Enttäuschung, dass die Solidarität der Zivilgesellschaft Risse bekommt. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, sagte der „Augsburger Allgemeinen“ (Donnerstag): „Jüdinnen und Juden in Deutschland erleben gegenwärtig einen psychischen Terror.“ Seit der brutalen Attacke der Hamas auf Israel am 7. Oktober hat es in vielen deutschen Städten Ausschreitungen und antisemitische Vorfälle im Zusammenhang mit pro-palästinensischen Demonstrationen gegeben.
Zwar hat die Bundesregierung den Schutz jüdischer Einrichtungen weiter verschärft und Israel der deutschen Solidarität versichert, doch Josef Schuster warnte gegenüber der Zeitung, dass sich die Stimmung im Land zu drehen beginne: „Sehr schnell hört man von vielen Seiten der Gesellschaft bereits das berühmte ‚Ja, aber’“. Auch die Bundesregierung habe „mit ihrer Enthaltung zur relativierenden UN-Resolution ein Zeichen des Alleinlassens gesendet“. Eine Erklärung der Vereinten Nationen, die einen sofortigen Waffenstillstand im Gaza-Streifen forderte und weder den Hamas-Terror klar verurteilte noch das Recht auf Selbstverteidigung Israels betonte, hatte Deutschland nicht abgelehnt.
Hermann Simon, Gründungsdirektor der Stiftung Centrum Judaicum in der Berliner Synagoge in der Oranienburger Straße, sagte der „Augsburger Allgemeinen“: „Bei fast allen Familien in der Gemeinde geht es gerade darum, ob etwa die Kinder noch sicher sind in der Kita oder Schule.“ Gebäude könnten bewacht werden, aber nicht alle Juden im Alltag. Dass es in bestimmten, muslimisch geprägten Vierteln Berlins gefährlich sei, als Jude erkennbar zu sein, sei zwar nicht neu, doch die Situation habe sich noch einmal drastisch verschärft.
Der Historiker, dessen Mutter im Berliner Untergrund den Holocaust überlebt hatte, sagte: „Ja, ich habe Angst. Nicht um mich, aber um die Generationen nach uns. Angst habe ich auch um ein Land, dessen Bürger ich bin und in dem ich mich bisher gut aufgehoben fühlte.“ Simon, Jahrgang 1949 und für seine Verdienste „um die Förderung jüdischen Lebens sowie für Verständigung und Versöhnung“ frisch mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, fügte hinzu: „Die Betonung liegt auf ‚bisher’“. (00/3583/01.11.2023)