„Zeitenwende“ zum Wort des Jahres gekürt

Die Jury war sich bei der Wahl schnell einig. Der russische Krieg gegen die Ukraine und seine Folgen prägten die Auswahl auch auf den weiteren Plätzen.

Scholz will irreguläre Migration begrenzen und im Gegenzug legale Migrationswege eröffnen
Scholz will irreguläre Migration begrenzen und im Gegenzug legale Migrationswege eröffnenImago / Bernd Elmenthaler

Wiesbaden. „Zeitenwende“ ist das Wort des Jahres 2022. Die Entscheidung einer Jury gab die Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden bekannt. Das Wort stehe für den Übergang in eine neue Ära, in diesem Sinne habe es Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verwendet: Der russische Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 markiere eine „Zeitenwende in der Geschichte unseres Kontinentes“. Der Begriff dominierte auch die rund 2.000 Einsendungen von Bürgern mit Vorschlägen für das Wort des Jahres, wie der Vorsitzende der Gesellschaft für deutsche Sprache, der Sprachwissenschaftler Peter Schlobinski, sagte.

Auch auf den beiden folgenden Plätzen der insgesamt zehn Wörter des Jahres finden sich Redewendungen, die unmittelbar mit dem Ukraine-Krieg und seinen Folgen zusammenhängen. Den zweiten Platz errang „Krieg um Frieden“, den dritten „Gaspreisbremse“. Wie bei den Einsendungen von außen lag die „Zeitenwende“ aber bei den Mitgliedern der Jury ebenfalls klar vorn. Diese setzt sich aus dem Vorstand der Gesellschaft und ihren wissenschaftlichen Mitarbeitern zusammen.

Auch eine „emotionale Wende“

In den nur zweieinhalb Stunden dauernden Beratungen der Jury habe man auch über „Epochenbruch“ gesprochen – ein Wort, das Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im gleichen Zusammenhang benutzt hatte. „Zeitenwende“ sei aber nicht nur das häufiger gebrauchte Wort gewesen, sondern auch das signifikantere. Der keineswegs neue Begriff sei ja schon für den Beginn der christlichen Zeitrechnung und allgemein für jeden beliebigen Übergang in eine neue Ära benutzt worden. Nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hätten im Übrigen auch viele Menschen eine „emotionale Wende“ erlebt. Angst und Sorge vor einem Atomkrieg in Europa, gar vor einem dritten Weltkrieg seien vielfach zu spüren gewesen.

Noch ein Scholz-Wort dabei

Die auf dem zweiten Platz gelandete Redewendung „Krieg um Frieden“ lehne sich daran an, dass auch politische Parteien mit pazifistischer Tradition nach dem Angriff zu der Ansicht gelangten, die Ukraine müsse mit Waffen unterstützt werden – auch um später einen dauerhaften Frieden in Osteuropa erreichen zu können. Die „Gaspreisbremse“ auf Platz drei wiederum bezeichne eines der Instrumente, mit der die Bundesregierung auf die eklatanten Preissteigerungen in vielen Lebensbereichen reagiere. Die Wortbildung „Inflationsschmerz“ kam auf Platz vier.

An fünfter Stelle rangiert „Klimakleber“ in Anspielung auf die Protestaktionen radikaler Klimaaktivisten der „Letzten Generation“. Es folgen das ebenfalls von Bundeskanzler Scholz geprägte Wort „Doppel-Wumms“ für die Gas- und Strompreisbremse auf Platz sechs, „neue Normalität“ für die Corona-Lage auf Platz sieben und „9-Euro-Ticket“ auf Platz acht. Rang neun belegte „Glühwein-WM“ für die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar im europäischen Winter. Und auf den zehnten Platz kam „Waschlappentipps“ in Anspielung auf die Äußerung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) zum Gebrauch von Waschlappen als Alternative zum Duschen.

Mit der Aktion Wörter des Jahres kürt die Gesellschaft für deutsche Sprache seit 1977 Wörter und Wendungen, die das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben eines Jahres sprachlich in besonderer Weise bestimmt haben. Die Liste soll den sprachlichen Nerv des Jahres treffen und einen Beitrag zur Zeitgeschichte darstellen. Im vergangenen Jahr war „Wellenbrecher“ das erste Wort des Jahres. Es stand für die Maßnahmen, die die Corona-Welle brechen sollten.