„Die zweite Welle“: ZDF zeigt Serie über ein vergangenes Verbrechen

Die ZDF-Serie „Die zweite Welle“ spielt 15 Jahre nach dem Tsunami von Thailand und behandelt ein vergangenes Verbrechen. Sie kommt erst hölzern daher – und dann fesselnd.

Der Cast der ZDF-Serie "Die zweite Welle" überzeugt
Der Cast der ZDF-Serie "Die zweite Welle" überzeugtNicolas Velte / ZDF

Ein Racheengel ist Alexandra Voss, nichts weniger als das: eine angsteinflößende, erbarmungslose, Unheil bringende Figur. Eines Tages steht diese vom Leben schwer gezeichnete Frau vor der Tür des Bonner Juristen Harry Reuter. Und der übergibt sich vor lauter Schreck erstmal direkt auf sein Gegenüber. Denn er weiß: Das ändert alles. Und zwar nicht nur für ihn, sondern auch für seine Freunde Heiko, Maren, Britta und Matthias. Die Clique hat vor 15 Jahren ein Verbrechen begangen, das sie nun einholt.

Die sechsteilige Mini-Serie „Die zweite Welle“, die das ZDF am 27. und 28. Dezember jeweils ab 22.15 Uhr ausstrahlt, macht das reale Erdbeben im Indischen Ozean, das an Weihnachten 2004 hunderttausende Menschen in den Tod riss, zum Ausgangspunkt ihrer fiktiven Story. Die erzählt von zwei befreundeten Familien und einem kinderlosen Freund, die ihre Ferien in der thailändischen Urlaubsregion Khao Lak verbringen wollen.

„Die zweite Welle“: Und dann kommt der Tsunami

Julia (Luise Bähr), die mit Mann Harry (Johann von Bülow) und der gemeinsamen kleinen Tochter Noa angereist ist, nutzt die Gelegenheit zudem, ihre Schwester Alexandra (Karoline Schuch) wiederzutreffen. Die ist vor Jahren ausgewandert und lebt mit Mann und Tochter Lucy vor Ort.

Dann bricht der Tsunami los: Danach ist Julia verschollen und Alexandra so schwer verletzt, dass ihr Überleben höchst unwahrscheinlich erscheint. 15 Jahre später jedoch steht Alexandra vor der Tür von Harry und seiner nun fast volljährigen Tochter. Verwahrlost, humpelnd, ein Ex-Junkie mit schlechten Zähnen, Narben und unzähligen Tattoos am Körper. Alexandra ist ein Wrack – doch sie hat überlebt: sogar jene 13 Jahre, die sie wegen Drogenhandels in einem thailändischen Gefängnis einsaß. Mann und Kind hat sie offenbar damals im Tsunami verloren.

Harry Reuter (Johann von Bülow, l.) und die kleine Lucy (Mia Minoret) haben den Tsunami in der ZDF-Serie "Die zweite Welle" überlebt
Harry Reuter (Johann von Bülow, l.) und die kleine Lucy (Mia Minoret) haben den Tsunami in der ZDF-Serie "Die zweite Welle" überlebtFriederike Heß / ZDF

Zunächst will Alexandra von ihrem Schwager bloß Geld, um ein neues Leben beginnen zu können. Doch dann erkennt sie durch einen Zufall, dass sie von Harry und seinen Freunden aufs Schrecklichste betrogen wurde. Wie, das soll hier nicht verraten werden. Leider erfährt man ohnehin relativ früh, in Folge 2, was Alexandra angetan wurde – was durchaus ein wenig Luft aus der Story lässt. Dennoch bleibt die Frage danach, was damals passierte und wie die diversen Protagonisten darin verwickelt sind, enorm spannend.

Lahmer Auftakt der Serie

Nach einem lahmen Auftakt, einer hölzernen ersten Folge mit etwas schematisch gezeichneten Protagonisten, entwickelt sich die von Sarah Schnier geschriebene Geschichte in ihrem Fortgang zum fesselnden Psychogramm einer Gruppe gutbürgerlicher Erwachsener, die in jenem Thailand-Urlaub ihren moralischen Kompass verlor. Aber auch zur berührenden Suche einer jungen Frau, Noa, nach ihrem Platz im Leben und einem Weg, mit den Wunden der Vergangenheit umzugehen. Und, last but not least, zum Drama einer Frau, die um nicht weniger als ihr Leben betrogen wurde – und nun fürchterliche Rache nimmt.

Karoline Schuch als Alexandra ist denn auch das starke Zentrum der Serie; sie spielt die zwischenmenschliche Unbehaustheit, den kalten Hass und die manipulative Rache dieser Figur beängstigend gut. Ein enorm ungewöhnlicher Charakter als Mittelpunkt einer deutschen TV-Produktion; allein dafür gebührt der Serie Respekt. Ebenso wie Schuch für ihre fulminante Darstellung, die sie zur Kandidatin für den ein oder anderen Schauspielpreis machen dürfte. Die anderen Figuren können jedoch durchaus mithalten in Sachen Glaubwürdigkeit und werden ebenfalls von tollen Schauspielern getragen.

Schmutzige Vergangenheit ruht niemals

Reizvoll ist auch die Machart, die mit jeder Folge zunächst an den Ausgangspunkt der Serie, die Geschehnisse in Thailand zurückkehrt und dabei stets eine neue Perspektive näher in den Blick nimmt. Stimmig auch die Farbdramaturgie, die jedem Charakter eine bestimmte Farbe zuordnet. Bei der zugegebenermaßen herausfordernden Darstellung des Tsunami beziehungsweise dessen Folgen überzeugt die Serie eher in den Nahaufnahmen. Eine ambitionierte, fesselnde Produktion über Hybris, den Wert menschlichen Lebens – und die Gewissheit, dass eine schmutzige Vergangenheit niemals ruht.