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ZDF-Liebesfilm über Body positivity – Das Gegenüber, ein Spiegel

Jenny arbeitet in einem Online-Pflanzenversand, tanzt gerne und ist mit sich und ihren Kurven im Reinen. Als sie dem Fitness-Coach Timo begegnet, verlieben sich die beiden ineinander. Was schön, aber kompliziert ist…

“Ich kenne niemanden, der so ist wie Du! Alle die ich kenne, die wollen immer irgendwie sein oder irgendwer oder irgendwas anders machen. Und Du bist einfach.. Du! Punkt.” So lautet Timos Liebeserklärung an Jenny, der er gerade fasziniert beim Essen zugesehen hat. Der erfolgreiche, aber von Karriere und Sport getriebene Fitness-Coach ist bezaubert von der fröhlichen, selbstbewussten Frau. Jenny tanzt leidenschaftlich gerne zu Latino-Rhythmen, betreibt mit ihren beiden besten Freunden einen Online-Pflanzenversand und hat nach den gängigen Standards einige Pfunde zuviel auf den Hüften. Als sich die beiden in einer Reha nahe Hamburg begegnen – Jenny hat sich beim Tanzen verletzt, Timo es mit dem Sport übertrieben -, fühlen sie sich schnell zueinander hingezogen.

Doch die Liebe zwischen dem durchtrainierten, bekannten Influencer und der mehrgewichtigen Jenny gestaltet sich kompliziert in dem Film “Liebesbrief an Jenny”, den das ZDF am Sonntag, den 30.11.25 von 20.15 bis 21.45 Uhr ausstrahlt. Dominant bis zerstörerisch zeigt sich der Einfluss der sozialen Medien, von Timos Management und seinen Fans, vor denen sich die Beziehung nicht lange verstecken lässt. Aber auch Timos mangelnde Sensibilität sowie Unsicherheiten auf beiden Seiten entzweien die beiden immer wieder voneinander.

Woran der Film mit seinen hervorragenden Haupt- wie Nebendarstellern allerdings nie einen Zweifel lässt, ist die große körperliche wie seelische Anziehungskraft zwischen Jenny und Timo: Die von Sophia Krapoth nach einer Idee von Ina-Christina Kersten entwickelte Geschichte erzählt auf stimmige, wenn auch ein wenig zu deutlich mit dem Prinzip der Gegensätze arbeitende Weise von dieser ungewöhnlichen Love story. Dass sich Jenny weder von seinem Ruhm noch anderen Äußerlichkeiten beeindrucken lässt, gefällt dem einsamen, fast ausschließlich von Fans und seiner Managerin (Pheline Roggan) umgebenen Coach.

Jenny wiederum mag Timos sanftes Wesen, entdeckt durch seine Augen aber auch die Schönheit und Attraktivität ihres Körpers neu: In einer wunderschönen, sinnlichen Sequenz betrachtet sie sich nach ihrem ersten gemeinsamen Kuss mit frisch erwachter Neugier im Spiegel, während Timo draußen im Grünen in Großaufnahme in die Kamera und damit sozusagen direkt zu ihr zurückblickt. Dazu hat Regisseurin Christina Adler ein bitteres Gegenstück geschaffen, eine nicht minder starke Szene: Als Jenny nach einem Streit mit Timo, von dem sie sich als Objekt seines Diät-Marketings instrumentalisiert wähnt, wütend nach Hause kommt, sich die Kleider vom Leib reißt und ihren “unzulänglichen” Körper im Spiegel anschreit, die Glasfläche kaputtschlägt.

Stefanie Reinsperger gibt nicht nur in dieser erschütternden Szene alles, spielt die Jenny sehr körperlich und mit großer Präsenz. Ohne die österreichische Schauspielerin, die den häufig respektlosen Umgang mit ihrem Körper offen thematisiert und darüber mit “Ganz schön wütend” auch ein Buch geschrieben hat, ist dieser Film kaum denkbar. Aber auch Golo Euler überzeugt als Sportsüchtiger und leicht verlorene Seele, ebenfalls mit vollem Körpereinsatz. Seine leibliche Hülle betrachtet Timo wie ein mitleidlos zu formendes Werkstück, das, obwohl sein Leben ständig darum kreist, wenig mit ihm selbst zu tun haben scheint, gewissermaßen etwas Fremdes ist. Kein Wunder, dass ihn Jennys ungleich “menschlicherer” Umgang mit ihrem Körper fasziniert. Kämpfen aber tun beide, auch wenn Jenny es zunächst leicht aussehen lässt, um die Bewertung des eigenen Körpers durch andere zu ertragen.

Für leichte Momente hingegen sorgen schöne Buch- und Regieeinfälle und wunderbare Nebenfiguren wie Timos Putzfrau Thuong (Mai-Phuong Kollath), die schließlich zu seiner “besten Freundin” wird, obwohl er sich sprachlich kaum mit ihr verständigen kann. So trifft “Liebesbrief an Jenny” den richtigen Ton und verhandelt das wichtige Thema “Körperakzeptanz” mit großer Sensibilität und Wahrhaftigkeit, bleibt zugleich aber auch unterhaltsam genug, um als vergnügliche Liebeskomödie durchzugehen.