ZDF-Fernsehratschefin Thieme tritt ab und zieht Bilanz

Marlehn Thieme scheidet nach zwei Amtszeiten als Vorsitzende aus dem obersten ZDF-Gremium aus. Vor Journalisten kritisierte sie die Weigerung der Politik, die empfohlene Erhöhung des Rundfunkbeitrags umzusetzen.

Die scheidende ZDF-Fernsehratsvorsitzende Marlehn Thieme hat sich gegen eine voreilige Abschaltung von Fernsehkanälen im Rahmen der von der Politik geforderten Flexibilisierung des öffentlich-rechtlichen Angebots ausgesprochen. Sender wie ZDFinfo oder ZDFneo erreichten monatlich rund 50 Millionen Menschen und versorgten diese mit hochkarätigen Dokumentationen und internationalen Filmen und Serien, sagte Thieme am Freitag bei einem virtuellen Pressegespräch vor Journalisten. Daher halte sie dieses Angebot für unverzichtbar.

Thieme kritisierte, dass die Bundesländer derzeit das verfassungsmäßige Verfahren zur Ermittlung des Rundfunkbeitrags nicht einhielten, da sie die von der zuständigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) empfohlene Erhöhung des Beitrags nicht umsetzten. Dies schade auch der laufenden Reform des öffentlich-rechtlichen Systems, die auf engere Zusammenarbeit von ARD und ZDF setze. Diese Kooperationsbereitschaft dürfe nicht eingeschränkt werden.

Thieme gehört zu den Initiatoren des Appells von ARD- und ZDF-Gremienvertretern vom 6. Juni, der die Politik aufforderte, die Spielregeln des KEF-Verfahrens einzuhalten. “Eine Aushöhlung des rechtsstaatlich festgelegten Verfahrens hilft vor allem den Gegnern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks”, so der von fast allen Gremienvorsitzenden unterzeichnete Appell.

Die 67-jährige Juristin hatte das oberste ZDF-Gremium über zwei Amtszeiten geleitet und muss aufgrund neuer Regelungen im ZDF-Staatsvertrag nach 20 Jahren aus dem Fernsehrat ausscheiden. Der Fernsehrat, dessen ehrenamtliche Mitglieder von im Staatsvertrag bestimmten gesellschaftlichen Gruppen wie Verbänden, Parteien, Kirchen und zivilgesellschaftlichen Organisationen entsandt werden, wählt den Intendanten und legt die Programmrichtlinien für die ZDF-Angebote fest.

Thieme, die von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in den Fernsehrat entsandt wurde, ist aktuell Präsidentin der Welthungerhilfe und arbeitete zuvor bei der Deutschen Bank sowie ehrenamtlich für die EKD. Dem ZDF-Fernsehrat steht nun ein großer Wechsel bevor. Wenn er das erste Mal im Juli zusammentritt, wird rund ein Drittel der 60 Mitglieder erstmals in das Gremium einziehen.