Seit 2022 werden in Deutschland immer weniger Kinder geboren. Das könnte positive Auswirkungen auf Kindergärten und Grundschulen haben. Weil mehr Raum zur Verfügung steht und Erzieherinnen und Lehrkräfte mehr Zeit haben.
Schon in fünf Jahren wird es sechs Prozent weniger Grundschüler in Deutschland geben – bis 2035 könnte es sogar ein Sechstel weniger sein als heute. Das zeigt eine Prognose des renommierten Bildungsforschers Klaus Klemm, über die das “Handelsblatt” am Mittwoch berichtet.
Ursache sind die zuletzt deutlich gesunkenen Geburtenraten: Nachdem 2021 ein Rekord von 795.000 Geburten erreicht wurde, ist ihre Zahl bis auf schätzungsweise 674.000 im Jahr 2024 gesunken. Daher werde zunächst die Gruppe der Kleinkinder zwischen null und drei Jahren bis 2035 gegenüber 2023 um fast 500.000 auf dann noch 1,72 Millionen zurückgehen. Die Zahl der Kita-Kinder im Alter von drei bis unter sechs Jahren sinke um 530.000 auf noch 1,84 Millionen.
Damit eröffneten sich große Chancen für das Bildungswesen, sagte Klemm: Denn der Kinderrückgang schaffe große Freiräume beim Personal und den Räumen in Kitas und Schulen, so dass es möglich werde, “endlich den ewigen Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und den Erfolgen im Bildungssystem zumindest abzuschwächen”.
Es könnten mehr Kinder unter drei Jahren in die Kitas aufgenommen werden, und zugleich die Gruppengrößen im Kindergartenbereich für die Drei- bis Sechsjährigen sinken, so Klemm. In den Grundschulen wird ab 2026 stufenweise über vier Jahre ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung eingeführt. Dieser kann bei deutlich weniger Kindern “qualitativ anspruchsvoller umgesetzt werden: in geeigneten Räumen und mit qualifiziertem pädagogischem Personal”, schildert Klemm die Vorteile.
Die Kultusministerkonferenz (KMK) geht in ihrer Prognose von 2024 noch von deutlich höheren Schülerzahlen aus, weil sie andere Berechnungszeiträume zu Grunde legt. Sie erwarte aber, “dass die von Professor Klemm gezeigte Absenkung der Schülerzahlen auch in der kommenden KMK-Vorausberechnung noch deutlicher zum Tragen kommt”, sagte KMK-Präsidentin Simone Oldenburg (Linke), Mecklenburg-Vorpommerns Schulministerin, dem “Handelsblatt”.
Zuletzt besuchten gut 37 Prozent der Unter-Dreijährigen eine Kita oder wurden von einer Tagesmutter betreut. Im Westen waren es 34, im Osten einschließlich Berlin 55 Prozent. Von den Drei- bis unter Sechsjährigen besuchten 91,3 Prozent eine Kita. Hier ist der regionale Unterschied weit geringer: Im Westen waren es 91, im Osten knapp 94 Prozent.
Allerdings konnten zumindest von den Kleinen bis drei Jahre bei Weitem nicht alle aufgenommen werden, deren Eltern dies wünschten oder brauchten, um arbeiten zu können. Nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) fehlten hier im vergangenen Jahr 306.000 Plätze. Das war etwa ein Siebtel der Kinder in diesem Alter.